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Eva Justin

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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 141<br />

aus dem Waisenhaus mehrere Jahre bei Bauern gearbeitet habe. So sehr<br />

sagte ihm diese Arbeit nicht zu. Von 1904-1907 diente er beim Militär.<br />

Angeblich gefiel es ihm gut dort. Am liebsten wäre er dabei geblieben.<br />

Nach seiner Entlassung arbeitete er in einer städtischen Gepäckablage, später<br />

als Rangierer. Da er dort zu wenig verdiente und heiraten wollte, ging er<br />

in eine große Fabrik, wo er zwei Jahre als Kranenführer und Bohrer angestellt<br />

war. Als 1913 „die Zeiten schlechter wurden", sollte er entlassen<br />

werden. So suchte er sich eine andere Stelle. Seit 19 Jahren 'arbeitet er<br />

nun im Tiefbauamt der Stadtverwaltung. Von dem Betriebsleiter wird er<br />

'als fleißiger und ordentlicher Mensch bezeichnet, der immer auf seinem<br />

Posten sei. Schwänzen und Drücken seien ihm gänzlich unbekannt. Karl<br />

ist nicht bestraft, weder beim Gesundheitsamt noch bei der Polizei bisher<br />

auffällig geworden. Er ist jetzt das zweite Mal mit einer fleißigen und<br />

strebsamen Deutschblütigen verheiratet. Seine erste Frau starb im Kindbett.<br />

Zwei Töchter aus erster Ehe sind ebenfalls mit unbescholtenen Deutschblütigen<br />

verheiratet und haben bereits mehrere Kinder. Die Töchter machen<br />

keinen so guten Eindruck wie der Vater, müssen aber noch als sozial angepaßt<br />

beurteilt werden. Die eine arbeitet seit sieben Jahren bei der gleichen<br />

Fabrik, die andere seit drei Jahren. Auf den Arbeitsstellen ist man mit<br />

ihnen zufrieden.<br />

Die Jüngste, Friederike R ei n ha r d t, gebar 1905 in einer Frauenklinik<br />

ihr erstes uneheliches Kind, das sie mit einem Minderjährigen erzeugt hatte,<br />

und das nach einem Jahr wieder starb.<br />

Von 1908 bis 1915 war sie in einer Großstadt polizeilich gemeldet und<br />

als Dienstmagd und Kellnerin tätig. Zweimal wurde sie wegen Diebstahls<br />

bestraft. 1912 gebar sie ihr zweites uneheliches Kind, Eugen. Der Vater<br />

dieses Kindes war ein lediger Schuhmacher, der seit 1918 wegen eines<br />

Rückenmarksleidens nicht mehr erwerbsfähig war und 1923 starb.<br />

E u g en Re i n ha rd t wurde in einem Kinderheim, aufgezogen. Der<br />

13jährige wurde als sehr schwach begabt beurteilt, als arbeitsscheu, willensschwach<br />

und flatterhaft. Er war groß und kräftig, sah 'aber auf einem<br />

Auge fast nichts. Da für den 18jährigen noch keine passende Dienststelle<br />

gefunden werden konnte, lernte er das Korbmachen in der Anstalt. Dabei<br />

machte er ganz gute Fortschritte. Er sei a ber eine echte Zigeunernatur,<br />

habe wenig Trieb und Neigung zur Weiterbildung, bestand a ber schließlich<br />

doch „durch energischen Antrieb" die Gesellenprüfung mit befriedigendem<br />

Erfolg. „Da er aber wohl nie ganz selbständig werden konnte", blieb<br />

er auch nach der Volljährigkeit in der Anstalt und verdiente täglich 40 Rpf.<br />

1927 starb er nach einer Blinddarmoperation.<br />

1913 wurde das dritte uneheliche Kind der Friederike geboren:<br />

C h r i s t i an R e in h a rd t. Der Vater konnte diesmal nicht mehr festgestellt<br />

werden, da der Mutter einwandfrei Mehrverkehr nachgewiesen wurde.<br />

Christian kam in dasselbe Heim wie sein Bruder. Dem .13jährigen<br />

fehlte es nicht an der geistigen Begabung, aber gegen seinen Hang zur

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