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Eva Justin

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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 1 35<br />

sich in jeder Hinsicht. Sie sei ein hilfsbereiter, ehrlicher Arbeitskamerad,<br />

der zu Klagen bisher keinen Anlaß gab. Bei der Polizei war sie aktenmäßig<br />

bisher nicht bekannt. Sie ist unbestraft und machte auf die Beamten<br />

einen guten Eindruck.<br />

Luise Kurz, geb. 1910, kam — wie gesagt — schon im zweiten<br />

Lebensjahr zusammen mit ihrer etwas älteren Schwester in eine deutsche<br />

Familie. Das Kind litt infolge der groben Vernachlässigung und mangelhaften<br />

Ernährung durch die Mutter bis zu seinem sechsten Lebensjahr an<br />

Rachitis, auch später machte es noch einen leidenden Eindruck. Die 10jährige<br />

wurde von der Tuberkulosenfürsorge verschickt. In charakterlicher Hinsicht<br />

wurden keinerlei Schwierigkeiten offenbar. Sie war ein freundliches, vergnügtes<br />

Kind, „gut geartet" und anhänglich, aber nicht sehr begabt. Sie<br />

war in der ganzen Entwicklung etwas zurückgeblieben. In der ersten Dienststelle<br />

war man mit der 14jährigen nicht zufrieden. Sie sei schwer an<br />

Ordnung und an der Arbeit zu halten, sei flatterhaft und faul. Die 15jährige<br />

mußte in einem Erziehungsheim aufgenommen werden. Sie wurde dort als<br />

interesseloses, bequemes, haltloses Mädchen geschildert, das jeder Anstrengung<br />

aus dem Wege ging. Wenn auch ihre schwächliche Gesundheit<br />

dieses Verhalten mit bedingte, so fehle ihr doch auch einfach der gute Wille.<br />

Gegen Ermahnung sei sie empfindlich, werde dann trotzig und vorlaut. Die<br />

17jährige war immer noch schwächlich, in ihrer Arbeit unselbständig.<br />

18jährig hatte sie eine Stellung als Dienstmädchen in einem konfessionellen<br />

Heim. Die Schwestern „hatten ihre Not mit ihr". Aber allmählich wurde sie<br />

freimütiger und fröhlicher, hatte Freude an der Arbeit, zeigte sich fleißiger<br />

und gefälliger. In diesem Heim arbeitete Emilie fünf Jahre. Die Schwestern<br />

sind heute des Lobes voll. Sie sei anstellig, geschickt, zuverlässig und<br />

selbständig gewesen, fleißig, anständig, verträglich, offen, gutmütig und<br />

ehrlich.<br />

Drei Jahre diente sie dann bei einem Dekan und in einer Familie. Seit<br />

1937 ist sie als Hilfsarbeiterin in einer Fabrik tätig und wohnt nun wieder<br />

in dem gleichen Heim. Der Betriebsführer hält sie auch für zuverlässig und<br />

geschickt, bezeichnet sie sogar .als intelligent. Sie habe z. Z. eine selbständige<br />

Arbeit in einer Versuchsabteilung. Zwei bis drei Mädchen seien ihr unterstellt.<br />

Sie arbeite mit Lust und Interesse, sei ein anständiger Arbeitskamerad,<br />

hilfsbereit und verträglich, offen und ehrlich. Bei der Polizei wurde sie<br />

bisher aktenmäßig nicht geführt. Sie ist unbestraft. Nachteiliges ist nicht<br />

über sie bekannt.<br />

Friedrich Kurz, geb. 1912, blieb am längsten im elterlichen Haushalt.<br />

Der Vater hatte das Kind tagsüber in Koststellen untergebracht und<br />

holte es abends ab. Der 8jährige war schon in neun verschiedenen Stellen<br />

gewesen. Das Jugendamt übte von 1920 an Schutzaufsicht aus und gab ihn<br />

dann ganz in eine sehr gute Pflegestelle. Als er 13 Jahre alt war, wollten<br />

ihn die Pflegeeltern unter keinen Umständen länger behalten. Er sei ungezogen<br />

und unehrlich. Er habe sich jetzt zur leibhaftigen Zigeunernatur ent-

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