Eva Justin

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94 <strong>Justin</strong> ihr Kind auch eine Zeitlang in Pflege (durch Jugendamtsakte bestätigt). Schließlich mußte sie es doch solange in ein Heim geben, bis sie soviel gespart hatte, daß sie die 6jährige Tochter zu sich nehmen konnte. Tagsüber gab sie das Kind dann in die Krippe. Später war die Aufsicht bei der berufstätigen Mutter zu locker. Auf Anraten des Jugendamtes gab sie die lljährige schweren Herzens in eine Fürsorgeerziehungsanstalt. Nach einem Jahr nahm sie die Tochter dann aber doch wieder zu sich. Auf dem Jugendamt lag ein sehr verständiger Brief aus dieser Zeit, der ihre charakterliche Haltung gut kennzeichnet, aber auch ihr nicht ganz sicheres Sprachgefühl trotz des verhältnismäßig guten Wortschatzes zeigt. „Ich befasse mich mit dem Gedanken mein Kind wieder zu mir zu nehmen. Wie Herr Dr. weiß, fanden wir es für gut, das Mädel für einige Zeit in strengere Aufsicht zu geben. Ich glaube nun, daß der Zweck der Sache erfüllt ist und wir es nun mit der mütterlichen Erziehung wagen dürfen. Ich bin überzeugt, daß eine längere Zwangserziehung, wie es diese ist, d e n guten Kern, der im Kinde ist, nur schaden wird. Ich kenne mein Mädel als gutes williges Kind, was auch die Hausmutter vom Charlottenkinderheim und selbst die Schwestern in D. mir bestätigten. Diese strenge Erziehung, bei welcher der Stock nur zu oft gebraucht wird, machen das Kind verbittert und unaufrichtig. Ich besuche mein Kind alle 5 bis 6 Wochen und beobachte genau die Wirkung dieses Aufenthaltes. Gewiß hat das Kind in der Schule einen Vorteil. Aber diese zwangsmäßige Abhaltung vom anderen Geschlecht, das ja ausschlaggebend war bei unserer Vereinbarung, würde dem Kind später viel mehr schaden als nützen..... . Ich möchte mein Kind als aufrichtig e , frisch e , deutsch e Mädel erziehen, was dort in der Erziehungsanstalt unmöglich ist. Ich bitte Herrn Dr. inständig mir' zu dieser Aufgabe zu helfen. Ich dachte bis nach den großen Ferien damit zu beginnen und erwarte Herr Dr. Ihre gell. Nachricht." Sie hat dann längere .Zeit Heimarbeit angenommen, um zu Hause zu sein. Die bescheidenen Möbel ihrer kleinen Wohnung hat sie sich von ihrem ersparten Geld gekauft. Ihr ganzer Lebensinhalt ist ihre Tochter, für die sie eine dreijährige Lehre von ihrem knappen Verdienst ermöglichte. In der Schule sei die Anita nicht so gut gewesen, nur im Zeichnen und Turnen hatte sie gute Zensuren. „Weil sie eine so leichte Hand hat", ließ die Mutter sie Friseuse lernen. Karoline Reinhardt hätte sich noch einmal gut verheiraten können. Es zerschlug sich aber wegen des Kindes, von dem sie sich nicht trennen wollte. Man spürt aus ihren Bemerkungen über die Tochter, daß sie nicht ganz mit ihr zufrieden ist. Trotzdem glaubt sie an ihr Kind. „Wir sind ja immer zusammen, und es kommt alles auf die Erziehung an." Die Tochter hat vor einigen Monaten ihre Gesellenprüfung mit „genügend" bestanden. Sie ist ein „freundliches, gefälliges Mädchen, das etwas leicht und flatterhaft ist und hinter dem man streng her sein muß."
Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 95 Ueberblicken wir zusammenfassend die Arbeftsleistungen der erwachsenen Zigeunerinnen, so ergibt sich, daß sie im Durchschnitt ebensowenig als Bauernmägde zu gebrauchen sind wie als Dienstmädchen. Am ehesten können sie als Fabrikarbeiterinnen eingesetzt werden. Auch diejenigen, die nicht zu Zigeunern zurückkehrten, suchen am liebsten Berufe, die ihrer unsteten, unruhigen Natur entsprechen. Sie hausieren, sammeln Lumpen, die Intelligenteren bewähren sich als Reisende und Vertreterinnen. Auch die beste ist als Briefträgerin jetzt am zufriedensten. Zum Schluß noch eine Zusammenstellung über die sozialen Beziehungen der 57 erwachsenen Zigeunerinnen und über den Wert ihrer Arbeitsleistung. 20 von ihnen kehrten in den Zigeunerwagen zurück. Nur als Hinweis diene die Gegenüberstellung der Abstammungsgruppen I und II. • gut, geordnet, zufriedenstellend mäßig oder wechselnd schlecht Soziale Beziehungen Arbeitsleistung I Il Summe I Il Summe 3 4 7 5 5 10 6 3 9 8 2 10 15 6 21 9 (1Prostituierte) (6 Hausiererinnen) 6 15 unbekannt — — _ 2 — 2 Im Durchschnitt sind die erwachsenen Zigeunerinnen in ihren sozialen Beziehungen also noch fragwürdiger als bei ihrer Arbeit. Die echteren Zigeunerinnen der Gruppe I scheinen durchschnittlich schwerer anpassungsfähig als die Mischlingszigeunerinnen der Gruppe II. Der Bericht über die Zigeunermänner wird nun sehr viel kürzer, weil nur sehr wenige bei Deutschen blieben. Die Zusammen-
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Vorwort. Die hier vorgelegten Unter
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