Eva Justin
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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 125<br />
der Fürsorgeanstalt Schelklingen das Schneiderhandwerk erlernte. 1914 legte<br />
er dort seine Gesellenprüfung ab. Aus seiner Stammrolle ist zu ersehen,<br />
daß er von 1914-1918 am Weltkrieg teilgenommen hat. Er erlitt mehrere<br />
Verwundungen: einen Lungenschuß, zwei Schüsse gingen durch beide Oberschenkel,<br />
dazu verlor er das linke Gehör und brach durch Verschüttung „die<br />
rechte Achsel". Wo und wie er in der Nachkriegszeit bis 1930 gelebt hat,<br />
ist noch dunkel. Er selbst gibt an, meist als Schneider tätig gewesen zu<br />
sein. Später habe er auch als Fabrikarbeiter und Straßenteerer sein Brot<br />
verdient. Daß er ständig oder auch nur größtenteils gearbeitet hat, ist<br />
nicht anzunehmen, da sein späterer Arbeitseifer sehr gering war. Ein<br />
Jugendamt schreibt 1937, in Kurz stecke eben Zigeunerblut. Er habe viele<br />
Jahre vagiert und sei in halb Europa herumgezogen; das wird wohl diese<br />
ungeklärten 10 Jahre betrefen. Von 1930 an ist sein „Wandertrieb" an Hand<br />
der Melderegister verschiedener Großstädte zu verfolgen. Kaum, daß er<br />
einmal etwas länger als ein Vierteljahr in einer Wohnung gemeldet ist. Von<br />
1930 an wird er auch mit einigen Unterbrechungen laufend unterstützt.<br />
Max lebte nach 1930 eine Zeitlang bei seiner Mutter im Wohnwagen.<br />
Meist waren sie beide ohne Arbeit. Als sie schließlich von der Stadt<br />
wegen ihrer rückständigen' Miete aus dem Wagen herausgestzt werden<br />
sollten, verdiente Max etwas durch Flicken im Altersheim. Bald hatte er<br />
aber keine Lust mehr und gab es wieder auf. Die Mutter beklagte sich, daß<br />
er ihr keinen Pfennig gäbe, sondern ihr nur noch abends das Brot wegesse.<br />
Er flickte dann bei einem Wirt für Kost und Logis. Aber seinem Ruf<br />
nach war er ein schlechter Schneider und wurde daher nur gering bezahlt.<br />
Seinen Lebensunterhalt verdiente er mehr durch Bettel. 1934 hatte das Wohlfahrtsamt<br />
die Kosten für die Behandlung einer frischen Gonorrhoe zu bezahlen.<br />
Ein ärztliches Zeugnis aus dem Jahre 1935 bestätigte Kurz's Angaben<br />
über seine durch Kriegsverletzung bedingte Erwerbsbeschränkung.<br />
„Die Ausübung eines Berufes fällt ihm aber nicht nur wegen der Schwäche<br />
der Schulter und des Oberarmes schwer, sondern auch deshalb, weil er sich<br />
in eine enorme Abneigung dagegen hineingesteigert hat. Es kommen für ihn<br />
körperlich leichte, geistig nicht anstrengende Arbeiten in Betracht, vielleicht<br />
teilweise im Freien." Nach einem weiteren halben Jahr gab man den<br />
Arbeitsversuch mit ihm auf, ließ ihn •hausieren und stellte nun die Unterstützung<br />
ein. Nachdem ihm 1937 der Wandergewerbeschein seinen Angaben<br />
nach wegen politischer Unzuverlässigkeit entzogen wurde, arbeitete<br />
er bei ständigem Wechsel und Krankfeiern als Packer und Hoteldiener.<br />
Sein jetziger Arbéitgeber will mit ihm zufrieden sein. Er ist dort seit fünf<br />
Monaten und hat Zuarbeiten als Diener zu verrichten. Er fügt sich bisher<br />
in die Gemeinschaft. Die Polizei hat aber wenig Vertrauen zu seiner Besserung.<br />
Er sei bisher jeder geregelten Arbeit aus dem Wege gegangen und<br />
habe immer Krankheit vorgeschützt. Mit knapper Not sei er der Einweisung<br />
in ein Konzentrationslager entgangen. Er steht noch jetzt unter polizeilicher<br />
planmäßiger Ueberwachung. Bestraft wurde er von 1917-1938 12mal,<br />
darunter wegen Urkundenfälschung, Bettels, Hehlerei, Unterschlagung, Er-