Eva Justin
Eva Justin
Eva Justin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 71<br />
gehen, wohl aber die Gabe, sich überall anzupassen, haben sie bald<br />
herausgefunden, daß sie am wenigsten gestraft werden, wenn sie die<br />
Wünsche und Forderungen der Gadji erfüllen. Wenn ihnen ein- oder<br />
zweimal die Flucht mißlungen ist, oder wenn sie sehen, daß ihre Artgenossen<br />
doch immer wieder zurückgebracht werden, dann verlieren<br />
sie mit der Zeit den inneren Widerstand und fügen sich. Erst dann<br />
findet man Ansätze für die Schulung und für erzieherische Mittel.<br />
Das ganze Streben des Zigeunerkindes ist nun, den anderen gleichgestellt<br />
zu werden, nicht mehr als „Zigeuner" zu gelten. Vor allem<br />
wollen sie sich wohl den Nachteilen, die ihre Sonderstellung mit sich<br />
bringt, entziehen. Besonders diejenigen, die für die Welt der Weißen<br />
relativ günstige Anlagen und deshalb am ehesten Aussicht zur Anpassung<br />
haben, wollen mit zunehmendem erzieherischen Einfluß nichts<br />
mehr von ihren Stammesgenossen wissen. Solche Kinder verstecken<br />
sich dann nicht beim Herannahen der Gadji, sondern beim Auftauchen<br />
eines Zigeunerwagens. Auch später vermeiden sie ängstlich jedes Zusammentreffen<br />
mit ihren Rassegenossen. Die Mehrzahl fühlt sich aber<br />
innerlich zu den „Sinte" gehörig, nur nach außen wollen sie nicht auffallen,<br />
nicht weniger gelten als die anderen. So benehmen sie sich entsprechend<br />
zurückhaltend.<br />
Aber trotz des sozialen Druckes, der auf den Kindern in der artfremden<br />
Umgebung lastet, und trotz des Wunsches der Erzieher, die<br />
Zigeunerkinder den Deutschen in jeder Beziehung gleichzustellen und<br />
ihre rassische Abstammung nach Möglichkeit der Umwelt zu verbergen,<br />
fallen dieZigeuner als solche doch immer wieder auf. Auch<br />
wenn man durchschnittlich mit ihnen zufrieden ist, muß man erkennen<br />
und zugeben, daß sich die rassische Eigenart nicht verwischen<br />
läßt, daß „der Zigeuner immer wieder herausguckt", oder daß sie sich<br />
im Laufe der Jahre nun doch „zur leibhaftigen Zigeunernatur entwickelt<br />
haben". Es ist auffällig, daß man in früheren Zeiten fast nie<br />
den Mangel an geistigen Qualitäten bzw. ihre primitive Geistesverfassung<br />
sah, sondern als rassisch bedingt nur zwei Uebel hervorhob:<br />
Die Unaufrichtigkeit und Unehrlichkeit.<br />
„Die Lüge ist die Waffe des Schwachen", sagt der Volksmund und,<br />
das hat in bezug auf die Zigeuner sicher weitgehend seine Richtigkeit.<br />
Daß diese Kinder, die in eine ihnen artfremde Welt geraten sind, ihre<br />
mehr oder weniger häufigen Rückfälle in die ihnen eigene Lebensart