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Eva Justin

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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 49<br />

für zuverlässig, wie man aus den Führungsberichten schließen kann.<br />

Alle anderen zeigten befriedigende, genügende und ausreichende Fortschritte.<br />

Auffällig sind nur die Schwierigkeiten, die ihnen das Rechnen<br />

in zunehmendem Maße macht. Fast alle, auch wenn sie sonst Durchschnittliches<br />

leisten, erreichen darin nur mit Mühe das Klassenziel.<br />

Auch die Realfächer sind meist nicht iihre starke Seite. Die Aufsätze<br />

sind dürftig. Nur im Singen übertreffen sie unsere Kinder im Durchschnitt.<br />

Weit über die Hälfte hat gute und sehr gute Musikzensuren.<br />

In der Schule ist man also in den ersten Jahren noch mit ihnen zufrieden.<br />

Ihre • etragensnoten sind meist sehr gut, der Fleiß läßt manchmal<br />

zu wünschen Übrig. Oberflächlichkeit, Leichtfertigkeit, Ablenkbarkeit<br />

werden gerügt und nehmen mit idem Alter bei den meisten immer<br />

mehr zu, so wie die Leistungen immer mehr abnehmen. In den Unterklassen<br />

genügt es, den Lernstoff rein gedächtnismäßig zu erfassen, die<br />

Anforderungen an die Denkleistungen sind gering. Von den älteren<br />

Schülern verlangt man aber mehr als das Malen schöner, sauberer<br />

Buchstaben und fleißiges Auswendiglernen. Hatten sie bisher nur Mühe<br />

mit dem Rechnen, so gehen sie jetzt ganz allgemein in ihren Leistungen<br />

zurück. Bei der Schulentlassung hat über die Hälfte „das Ziel nur<br />

knapp erreicht". Dabei wird öfter darauf hingewiesen — besonders<br />

in den letzten 10 Jahren — daß die Kinder nicht schwachsinnig<br />

seien.<br />

Die 21 Zigeunerkinder, die ich in der württembergischen Anstalt<br />

untersuchte, zeigten dasselbe Bild. In der Unterklasse hielten die<br />

Leistungen den Durchschnitt. Einige waren zwar recht schlecht, dafür<br />

aber drei gut. Die beste Schülerin der Unterklasse war sogar eine<br />

Zigeunerin! Sie beteiligten sich im allgemeinen lebhaft am Unterricht,<br />

hatten Freude an ihren Erfolgen und wollten auch etwas lernen. Die<br />

Lehrerin führte allerdings ein sehr strenges Regiment und holte aus<br />

ihnen heraus, was nur möglich war. In der Oberklasse aber hörte<br />

man von den Zigeunern so gut wie nichts mehr. Sie saßen brav da,<br />

schauten den Lehrer treuherzig aber gedankenlos an und schwiegen.<br />

Sie fielen in keiner Weise auf, fügten sich anstandslos in die Schulordnung.<br />

Die Lehrerin lobte ihre tadellose saubere Schrift, ihr gutes<br />

musikalisches Gehör und Gedächtnis, ihre Treffsicherheit im Ton.<br />

Verglich man ihre Aufsätze mit denen der deutschen Kinder, so waren<br />

sie auffallend wortarm, ideenleer, unlebendig in der Darstellung,<br />

eigentlich nur eine Aneinanderreihung auswendig gelernter Redewen-<br />

Veröffentlichungen 4

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