05.12.2012 Aufrufe

Eva Justin

Eva Justin

Eva Justin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

66 <strong>Justin</strong><br />

zeitigen geistigen Entwicklungsstillstand niederer Naturvölker im Vergleich<br />

zum Europäer zu erkennen glauben.<br />

An dieser Stelle soll nur noch ein Versuch das Gesagte anschaulich<br />

machen:<br />

Matadorbaukasten.<br />

Zu Versuc'hszwecken hatte ein großer. Matadorbaukasten drei Wochen<br />

sichtbar auf einem Tisch gestanden. Die Kinder hatten die Sachen öfters<br />

durchgemustert, auch mal in den Kasten hineingesehen. Nie hatte einer der<br />

Knaben den Wunsch geäußert, damit zu bauen. Das Spiel war ihnen bekannt.<br />

Sie hatten ein kleineres früher im Heim gehabt.<br />

An einem verregneten Sonntagnachmittag überlegte die VL. mit den<br />

Kindern, was sie spielen sollten. Sie schlug den Matadorkasten vor. Die<br />

allgemeine Zustimmung war etwas zurückhaltend, man fügte sich brav der<br />

Aufforderung. Da der 14jährige Zweigerli, der intelligenteste der Zigeunerknaben,<br />

aber jubelte und die VL. wissen wollte, wie sie sich bei diesem bei<br />

deutschen Kindern sehr beliebten Spiel anstellten, wurde der Versuch durchgeführt.<br />

Zweigerli bat gleich um die Erlaubnis, seinen deutschen Freund zu<br />

holen. Die Vorlagehefte wurden durchgeblättert. Der 14jährige Deutsche —<br />

übrigens der netteste und anständigste der Fürsorgezöglinge — machte sich<br />

mit echtem Jungeneifer sehr bald an den Bau eines bewegbaren Kranes. Er<br />

bastelte den ganzen Nachmittag, ließ sich kaum Zeit zum Abendbrot, erbat<br />

von der Schwester noch eine Stunde Sonderurlaub vor dem Schlafengehen<br />

und ärgerte sich dann sehr, daß er an diesem Tage doch nicht ganz fertig<br />

wurde. Zweigerli blätterte lange unentschlossen, wählte dann ein großes<br />

Modell, das auf den ersten Blick leicht konstruierbar schien. Als die VL.<br />

die anderen Zigeunerknaben fragte, ob sie denn nicht auch etwas bauen<br />

wollten, schüttelten sie die Köpfe, sie könnten das nicht, sie wollten lieber<br />

zusehen. Zweigerli kam bald — trotz Hilfestellung — nicht weiter. Er<br />

'ließ sich aber nicht verdrießen, stellte fest, daß diese und jene Steine für den<br />

Bau fehlten, deshalb müsse er etwas anderes machen. Endlich entschloß er<br />

sich zu einem kleinen, einfachen Modell, einem Steinklopfer (den einzigen<br />

Menschen, den das Vorlageheft zeigte!). Als er mit viel kameradschaftlicher<br />

Unterstützung seines Freundes schließlich den Mann zusammengebaut hatte<br />

und dieser sogar eine Bewegung vollführen konnte, war der 14jährige Knabe<br />

überwältigt von diesem Leistungseffekt und prahlte stundenlang damit herum.<br />

Angeregt durch den „großen Erfolg" seines Bruders, entschloß sich auf<br />

Zureden der VL. der lljährige Buberli am nächsten Tag dazu, auch so einen<br />

Steinklopfer zu bauen. Es war erstaunlich, wie wenig Beobachtungsgabe<br />

der Knabe für diese technischen Formen bewies: Kein Augenmaß, kein Blick<br />

für Hinter- und Vorderseite der Figur, schließlich nagelte er noch den<br />

Klopfer, der beweglich auf den Amboß schlagen sollte, auf diesem fest. Zu<br />

Ende baute ihn der Deutsche. Fünf Zigeunerknaben waren an dem zweiten<br />

Nachmittag, den sie für diese Aufgabe besonders frei bekommen hatten, beisammen.<br />

Zeitweise ließ die VL. sie allein und beobachtete sie nur durch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!