Eva Justin
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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 63<br />
Als die VL. den Erziehungsschwestern von ihrer Beobachtung<br />
erzählte, meinten diese — es war gerade Kartoffelernte —, es wäre<br />
sehr erfreulich, wenn die Zigeuner auch einmal beim Kartoffellesen<br />
etwas mehr Ausdauer hätten, und wenn sie sie nicht immer antreiben<br />
müßten. Daß sie Ausdauer dabei entwickeln konnten, wenn ein Fremdantrieb<br />
für diese mühsamere Arbeit gegeben wurde, bewies der nächste<br />
Tag.<br />
Die VL. setzte acht Geldpreise für vier Gruppen aus (1. und 2.<br />
Preis für große und kleine Knaben und Mädchen). Beteiligen durften<br />
sich auch alle Deutschen. Da es sich schon während der Arbeit zeigte,<br />
daß die Zigeuner die flinkesten waren, gaben die deutschen Fürsorgezöglinge<br />
den Wettbewerb meist auf und spöttelten: „Das machen die<br />
auch nur heute". Damit hatten sie wohl nicht unrecht, die Arbeit war<br />
den Zigeunern eigentlich zu anstrengend und langweilig. Nur die<br />
Hoffnung auf •den Gewinn einer kleinen Geldsurnfile, die ihnen sonst<br />
nie zuteil wurde, vermochte den nötigen Antrieb zu wecken*).<br />
.Zweigerli konnte sich nicht beteiligen, da er an diesem Tage zum<br />
Aepfelpflücken angesetzt war. Die VL. setzte deshalb noch zwei Preise<br />
aus für die besten Pflücker. Wie erwartet übertraf Zweigerli die<br />
anderen Kinder weit. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß er<br />
auch sonst der beste Helfer bei der Aepfelernte war. Diese Arbeit ist<br />
körperlich nicht so anstrengend wie das Kartoffellesen, erfordert Gewandtheit<br />
und ist für den Pflücker „lohnend". Da er auch sonst fleißig<br />
und anstellig dabei war, nahm es die Erziehungsschwester mit dem<br />
Naschverbot dabei nicht so genau.<br />
Auffallend war die bessere und solidere Sammelarbeit der Mädchen.<br />
Der Eifer der Knaben hatte kaum bei einem gleichmäßig angehalien<br />
(außer Zweigerli). Am schlechtesten schnitt Kajetan ab, der beim<br />
Igelfang der Ausdauerndste gewesen war! Nur einen Eimer brachte<br />
der 14jährige mehr als seine 7jährige Base, die wilde Gusteli! Durch<br />
diesen Versuch wurde die Erfahrung der Erzieherinnen bestätigt, die<br />
die Mädchen im allgemeinen für erziehungsfähiger kielten als die<br />
Knaben. Sie seien auch leichter an Ordnung und Sauberkeit zu<br />
gewöhnen.<br />
Beachtenswert war die Feststellung, daß von 21 Zigeunerkindern<br />
nur fünf unerziehbar schlampig blieben. Von diesen fünf waren noch<br />
drei landläufig dumm, bzw. debil. Die Kinder lernen nicht nur ihre<br />
'") S. Tabelle S. 64.