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Eva Justin

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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 97<br />

Kapitel geschildert werden. „Die ganze Familie ist überall beliebt und kann<br />

im Dorf ein Vorbild für viele sein." Hier scheinen sich — ebenso wie bei<br />

der Sippe Karoline Reinhardt — günstige Erbanlagen in der Familie<br />

zu häufen. Außerdem sind es Mischlingszigeuner der Gruppe II. Wir<br />

kennen noch eine Schwester von ihm, die seit 30 Jahren in einer Großstadt<br />

unbestraft lebt und sich wenigstens jetzt unauffällig verhält. Sie bezieht<br />

Wohlfahrtsunterstützung. Ihre Invalidenkarte zeigt 20 geklebte Marken. Mit<br />

ihrem Ehemann hatte sie freilich Pech. Er war kriminell und saß<br />

auch einmal 4 Jahre im Zuchthaus. Sie ließ sich aber von ihm scheiden.<br />

Ueber die Eltern dieser Geschwister hörten wir noch von alten Leuten, daß<br />

sie ordentliche, anständige Zigeuner gewesen seien, die auch gearbeitet<br />

hätten.<br />

Zu den „M ä ß i g e n" gehört der schon als Jugendlicher bekannt gewordene,<br />

wenig talentierte, aber sehr willige Gärtner, der jetzt als Hilfsarbeiter<br />

brauchbare Arbeit leistet. Während seiner Chauffeurtätigkeit mußte<br />

er mehrmals wegen rücksichtslosen Fahrens bestraft werden. Einmal machte<br />

er sich einer Unterschlagung schuldig. Er verband sich mit einer geschiedenen<br />

Fabrikarbeiterin, die aus einer mit Schwachsinn belasteten Familie<br />

stammt. Da ihm die Ehegenehmigung wegen seiner nicht arischen Abstammung<br />

verweigert wurde, hatte er es besonders schwer, mit einem Ledigenlohn<br />

für Frau und drei Kinder auszukommen. Trotzdem hat er nie eine<br />

Wohlfahrtsunterstützung in Anspruch genommen, sondern sich allein durchgeschlagen.<br />

Seine Schwester ist die einzige prostituierte Zigeunerin in<br />

Württemberg. Sie wurde ebenfalls deutsch erzogen. Die Geschwister sind<br />

Mischlingszigeuner der Gruppe H.<br />

Auch der vierte deutschverheiratete Zigeuner, der in den letzten Jahren<br />

in geordneten Verhältnissen lebte, gehört abstammungsmäßig zur Gruppe II.<br />

Lange arbeitete er als Bauernbursche, später als Fabrikarbeiter. Neun Jahre<br />

zog er mit der geschiedenen Frau eines Säufers als Scherenschleifer über<br />

Land. Er zog sich sechs kleine Strafen zu, einmal wurde er noch wegen<br />

Unterschlagung zur Rechenschaft gezogen. Der Frau behagte das Umherziehen<br />

auf die Dauer nicht. Sie wurde unehelich geboren und stammt von<br />

seßhaften Leuten ab. Als das vierte Kind zur Welt kam, suchten sie sich<br />

eine feste Wohnung. Zuerst begegnete man der „Zigeunerfamilie" mit<br />

großem Mißtrauen. Er arbeitete aber fleißig in der Fabrik, und sie hielt<br />

ihren Haushalt gut zusammen. So haben sie sich jetzt nach sieben Jahren<br />

einen guten Ruf erworben, und man zählt sie sogar zu den ordentlichen und<br />

anständigen Familien in einem kleinen Dorf. Von den vier Kindern ist bisher<br />

ein Mädchen sittlich haltlos und arbeitsscheu.<br />

Die drei ledigen Zigeuner (alle Gruppe I), die in deutschen geordneten<br />

Verhältnissen geblieben sind, unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander.<br />

Einer arbeitet als Bauernknecht, die beiden andern als Hilfsarbeiter.<br />

Mit ihren Arbeitsleistungen ist man zufrieden. Sie sind geschickt und selbständig<br />

— aber unbeständig. Der eine bummelt immer mal zwischendurch<br />

Veröffentlichungen 7

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