Eva Justin

Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 11 5
hältnisse gestellt, die ihnen artfremd und denen sie ihrer Veranlagung
und Neigung nach meist nicht gewachsen waren. So kann nicht einer
beachtliche Leistungen aufweisen, nicht einer hat sich besonders verdient
gemacht. In der Regel leben die artfremd erzogenen Zigeuner —
ebenso wie eine beträchtliche Anzahl unserer deutschblütigen Asozialen
— an der Grenze zwischen sozialem und asozialem Verhalten und
sind äußerst umweltlabil.
Die wenigen, die sich gut oder mäßig halten können, finden wir
daher auch nur in sehr einfacher, anspruchsloser Umwelt. Von den
beiden „guten Zigeunern" lebt der eine als Tiefbauarbeiter, der andere
als Straßenwart. Die übrigen verdienen sich ihr Brot als Hilfsarbeiter
oder Knechte. Die Zigeunerinnen leisten bestenfalls als Landarbeiterfrauen,
Fabrikarbeiterinnen oder Reisende nützliche Arbeit. Nur eine
bewährt sich als Briefträgerin. Von den hier untersuchten Zigeunerinnen,
die in artfremder Umgebung leben, möchte ich sie ihrer charakterlichen
Artung nach als die einzig wirklich zuverlässige und
eigenständige beurteilen.
Nach all unseren Erfahrungen mit Tausenden von Zigeunern bin
ich der Ueberzeugung, daß diese Briefträgerin, ebenso wie der Tiefbauarbeiter
und der Straßenwart, auch ohne deutsche Erziehungsfürsorge
zumindest vorwiegend sozialangepaßt leben würde. Tatsächlich
verdienen die artgemäß lebenden Brüder der Briefträgerin unbescholten
ihr Brot als Musiker, und ebenso hatten die Eltern des
Straßenwarts einen verhältnismäßig guten Ruf. Die Sippenangehörigen
des Tiefbauarbeiters unterscheiden sich zwar nicht vom Durchschnitt
der Zigeuner, und 'seine drei Schwestern versagen auch völlig in
deutschen Verhältnissen. Aber es sind uns im Laufe der Jahre auch
immer wieder einzelne Zigeuner begegnet, die dank einer „guten" Anlagenkombination
und günstiger Umweltverhältnisse auffällig sozial
angepaßt leben.
Während diese drei Menschen nicht mit ihrem Schicksal hadern,
sondern zufrieden und ausgefüllt leben, sind die übrigen sozial angepaßten,
aber nicht unbedingt zuverlässigen Zigeuner mehr oder weniger
unglückliche und zerrissene Menschen. Wären sie bei ihrem Stamm
aufgewachsen und lebten sie heute artgemäß, dann hätten sie sich wohl
etliche „Zigeunerstrafen" zugezogen, aber ihre sozialen Beziehungen
innerhalb der Familie und Sippe wären geordnet und natürlich. Das
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