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Erzherzog Johann<br />

Ein großzügiger Dienstgeber<br />

Erzherzog Johann, der große<br />

Förderer der Steiermark, verstarb<br />

vor 150 Jahren und in zahlreichen<br />

Veranstaltungen wird<br />

heuer diesem großen Steirer gedacht.<br />

Dieser kleine Beitrag soll<br />

einmal mehr das soziale Engagement<br />

des „Steirischen Prinzen“<br />

belegen.<br />

Bei ihrer Arbeit am Buch über<br />

Anna Plochl, der Ehefrau des Erzherzogs,<br />

stieß Frau Prof. Renate<br />

Basch-Ritter im „Archiv Meran“,<br />

welches sich im Steiermärkischen<br />

Landesarchiv befindet, auf<br />

eine Apothekenrechnung aus dem<br />

Jahre 1858. Freundlicherweise<br />

stellte sie mir diese Rechnung<br />

zur Verfügung. Monat für Monat<br />

waren hier Arzneien aufgelistet,<br />

die das Personal im Palais Meran,<br />

dem Stadtwohnsitz des Erzherzogs,<br />

in der Grazer Apotheke<br />

„Zum guten Hirten“ bezogen hat.<br />

Die Rechnung, mit der ansehnlichen<br />

Summe von 90 Gulden und<br />

81 Kreuzern, wurde zu Ende des<br />

Jahres vom Erzherzog beglichen.<br />

Die Apotheke „Zum guten Hirten“<br />

hatte damals einen anderen<br />

Standplatz als heute (Ecke Leon-<br />

Menschen helfen Menschen<br />

Abbildungen: Steiermärkisches Landesarchiv<br />

Erzherzog<br />

Johann von<br />

Österreich<br />

(nach der natur<br />

gezeich<strong>net</strong><br />

v. Kniehuber<br />

1848).<br />

hardstraße Nr.6/Maiffredygasse).<br />

Sie befand sich im Eckhaus Glacis<br />

Nr. 37/Elisabethstraße. Trotzdem<br />

war sie damals die dem Palais<br />

Meran nächst gelegene.<br />

Auf der Rechnung waren die Verschreibungen<br />

nur recht ungenau<br />

als „Tee“, „Pulver“, „Salbe“ usw.<br />

und auch die Bezieher nur als<br />

„Kammerdiener“, „Gärtner“, „Köchin“<br />

usf. angeführt gewesen.<br />

Das veranlasste mich im „Archiv<br />

Meran“ persönlich nachzusehen.<br />

Groß war die Überraschung, als<br />

dort in einem Kuvert die komplett<br />

erhalten gebliebenen Rezepte<br />

gesammelt vorlagen. Das war<br />

wahrscheinlich jenem glücklichen<br />

Umstand zu verdanken, dass<br />

der Erzherzog im Jahre 1855 für<br />

sein Personal auf seinem Mustergut<br />

Brandhof, auf der Mariazeller<br />

Seite des Seebergs gelegen, eine<br />

sehr hohe Medikamentenrechnung<br />

erhalten hatte. Er schrieb<br />

damals erbost an das Apothekergremium,<br />

er werde künftig nur<br />

jene Rezepte bezahlen, die ihm<br />

vorgelegt werden.<br />

Durch die Volkszähllisten wissen<br />

wir genau Bescheid, wer damals<br />

im Palais Meran beschäftigt war.<br />

Der Haushalt umfasste 22 Personen,<br />

die wir beinahe alle namentlich<br />

kennen. Auf Grund der<br />

gefundenen Rezepte war es nicht<br />

schwer, die einzelnen Arzneien<br />

nun auch den entsprechenden<br />

Personen zuzuordnen. Beinahe<br />

alle haben innerhalb eines Jahres<br />

eine Arznei bezogen.<br />

Aber es waren nicht nur seine<br />

Angestellten, die der Erzherzog<br />

medizinisch versorgen ließ. Seine<br />

Großzügigkeit ging so weit, dass<br />

er auch Medizinen für deren Ehefrauen,<br />

mehrmals sogar für ein<br />

Kind eines Mitarbeiters bezahlt<br />

hat! Nur zwei Rezepte waren auf<br />

ihn selbst ausgestellt gewesen.<br />

Die Sammlung umfasste 144 Rezepte,<br />

wobei viele Rezepte mehrere<br />

Verschreibungen aufwiesen.<br />

Die Rezepte waren in lateinischer<br />

Sprache, meist mit Abkürzungen,<br />

ausgestellt gewesen. Alle waren<br />

sie noch mit Kielfeder, auf<br />

oft schlechtem Papier, in meist<br />

nicht leicht zu entziffernder „Ärzteschrift“<br />

geschrieben worden.<br />

Auch das Verschriebene war<br />

manchmal nicht einfach zu lesen,<br />

weil man heute wenig Vorstellung<br />

hat, was man damals z. B.<br />

unter ein „Schwalbenwasser“,<br />

ein „Wiener Trankl“ oder eine<br />

„Zwetschkenlatwerge“ verstand.<br />

Um unter den Verschreibungen<br />

eine Einteilung zu treffen, wurde<br />

eine Unterteilung der Arzneien<br />

nach ihrer Herstellungsart z. B.<br />

„Pulver“, „Tee“, „Saft“ usw. versucht.<br />

Innerhalb dieser Gruppen<br />

wiederum wurde eine Einteilung<br />

getroffen, wogegen eine Arznei<br />

wirken soll, sofern das überhaupt<br />

möglich war. So konnte man feststellen,<br />

unter welchen Beschwerden<br />

damals Bedienstete eines<br />

herrschaftlichen Haushalts zu<br />

leiden hatten.<br />

Die häufigste Verschreibung war<br />

das „Pulver“, gefolgt von den so<br />

genannten „Mixturen“, dann den<br />

Rezeptbeispiel.<br />

Ölen (z. B. Lebertranöl) und den<br />

„Safterln“. Nie wurden dagegen<br />

„Zäpfchen“ verschrieben.<br />

Und woran litten damals die<br />

Angestellten? Am häufigsten<br />

wurden Abführmittel verschrieben!<br />

Dann folgten Mittel gegen<br />

Husten/Bronchitis, Mittel zur Förderung<br />

der Verdauung und Verschreibungen<br />

gegen Fieber. Insgesamt<br />

konnte ich Mittel gegen<br />

17 unterschiedliche Leiden feststellen.<br />

Zwei Präparate waren für<br />

ein krankes Pferd des Erzherzogs<br />

bestimmt gewesen.<br />

Einmal mehr zeigte diese Apothekenrechnung<br />

die soziale Einstellung<br />

von Erzherzog Johann,<br />

der sich gegenüber seinen Bediensteten<br />

als wahrer Hausvater<br />

im besten Sinne des Wortes erwies.<br />

n<br />

bernd_mader@gmx.at<br />

Erstes Blatt der Sammelrechnung<br />

der „Apotheke zum guten Hirten“.<br />

Juni 2009<br />

PAnORAMA<br />

55

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