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56<br />

PAnORAMA<br />

Interview mit<br />

Folke Tegetthoff<br />

Der Erzähler, Dichter und Schriftsteller<br />

gilt weltweit als Begründer einer neuen<br />

Erzählkunst-Tradition<br />

Folke Tegetthoff stammt aus<br />

der Familie des österreichischen<br />

Admirals Wilhelm von Tegetthoff.<br />

Kaum jemand weiß,<br />

dass er in Wels geboren wurde,<br />

mit sechs Monaten aber nach<br />

Graz kam. Hier ist er aufgewachsen<br />

ist und hier studierte er mehrere<br />

Semester Medizin und Pädagogik.<br />

Seit einigen Jahren lebt er<br />

mit seiner Frau Astrid und seinen<br />

vier Kindern in einem Kloster in<br />

der Südsteiermark.<br />

Das Interview<br />

führte<br />

Hedi Grager.<br />

Nach Aufenthalten in Spanien<br />

und Hamburg erschien 1979 sein<br />

erstes Buch „Der schöne Drache“,<br />

dessen Präsentation auch sein<br />

erster Auftritt als Märchenerzähler<br />

war. Als Märchendichter vereint<br />

Folke Tegetthoff klassische<br />

Elemente mit einem ganz neuen<br />

Märchenstil. Dies macht ihn in<br />

der deutschsprachigen Literaturszene<br />

einzigartig.<br />

G’sund: Wie wird man Märchenerzähler?<br />

Hast Du schon als Kind<br />

eine Nähe zu Märchen gehabt?<br />

Tegetthoff: Ich war das jüngste<br />

von fünf Kindern, habe vier Geschwister.<br />

Eine meiner Schwestern<br />

hat mir über viele Jahre<br />

jeden Abend eine Geschichte<br />

erzählt. Das war sehr prägend für<br />

mich. Märchen erzählen habe ich<br />

aber auch immer mit körperlicher<br />

Nähe verbunden, mit Vertrautheit<br />

und Sicherheit.<br />

Märchenerzähler wird man nicht,<br />

das ist man. Ich weiß noch auf<br />

die Stunde genau, wie mein Weg<br />

begonnen hat. Es war der 24. Dezember<br />

1964, 18.35 Uhr. Ich war<br />

zehn Jahre alt, als an diesem<br />

Weihnachtsabend nicht nur der<br />

Weihnachtsbaum abbrannte,<br />

auch die Wohnungseinrichtung<br />

und alle Geschenke. Meine Geschwister<br />

waren verzweifelt, sie<br />

wollten mir ein schönes Fest bereiten,<br />

aber alles war verbrannt.<br />

Was ich in der Asche noch fand<br />

war ein Buch, das nicht verbrannt<br />

war. Es war ein Märchenbuch.<br />

Dieses Buch begleitete mich dann<br />

über all die Jahre, so wie andere<br />

Kinder ein Lieblings-Stofftier haben.<br />

Ich wusste intuitiv, dass es<br />

wichtig für mich war, dass es eine<br />

Bedeutung für mich hatte. Auch<br />

wenn mir damals noch nicht klar<br />

war, welche.<br />

Zwölf Jahre später wurde mir<br />

die Bedeutung klar. Ich war 23<br />

Jahre alt als ich gefragt wurde,<br />

ob ich ein Märchenhörspiel<br />

schreiben möchte. Natürlich,<br />

sagte ich, obwohl ich so etwas<br />

noch nie gemacht hatte. Ich ging<br />

in das Kinderzimmer meines<br />

Neffen und habe nach einem<br />

Buch gesucht. Ich fand „mein<br />

Märchenbuch“, dasjenige, das<br />

den Brand überlebt hatte. Es waren<br />

die gesammelten Werke des<br />

Märchendichters Hans Christian<br />

Andersen. Ich setzte mich hin<br />

und schrieb mein erstes Buch,<br />

das knapp ein Jahr später veröffentlicht<br />

wurde.<br />

G‘sund: Du verlässt Dich sehr auf<br />

Deine Intuition?<br />

Erzähler, Dichter und Schriftsteller Folke Tegetthoff.<br />

Tegetthoff: Ich glaube absolut an<br />

intuitive Kräfte. Intuition ist überhaupt<br />

die wesentlichste Kraft,<br />

die wir besitzen. Die meisten<br />

haben nur kein Vertrauen in ihre<br />

Intuition. Wir kommen ständig<br />

an Wegkreuzungen, müssen Entscheidungen<br />

treffen, um zu einem<br />

nächsten Punkt zu kommen. In<br />

meiner Lebensphilosophie hilft<br />

mir meine Intuition immer, den<br />

richtigen Weg zu gehen. Jeder<br />

Augenblick des Lebens hat eine<br />

Bedeutung. Ich vertraue konsequent<br />

meiner Intuition - das ist<br />

auch durchaus trainierbar.<br />

G’sund: Wie schreibt man ein<br />

Märchen? Kann man sich dies<br />

ähnlich vorstellen wie einen Roman<br />

zu schreiben?<br />

Tegetthoff: Einen Roman zu<br />

schreiben, erfordert eine Konstruktion,<br />

so wie einen Plan für<br />

den Bau eines Hauses. Meine<br />

Märchen jedoch entspringen meiner<br />

Intuition, auch wenn sie einer<br />

strengen Logik zu folgen haben.<br />

G’sund: Was bedeutet Dir Familie?<br />

Du bist durch Deine Reisen<br />

und Tourneen doch auch sehr oft<br />

von der Familie getrennt?<br />

Tegetthoff: Ich verbringe sehr<br />

viel Zeit mit meiner Frau und<br />

meinen Kindern. Sie waren früher<br />

sehr oft mit mir auf Tournee,<br />

als unsere Kinder noch nicht zur<br />

Schule gingen. Meine „normale“<br />

Arbeit findet ja zu Hause statt,<br />

da bin ich zwar nicht immer ansprechbar,<br />

aber ich bin präsent.<br />

G’sund: Du hast mehrere Auszeichnungen<br />

erhalten, darunter<br />

als erster Österreicher den mit<br />

US$ 100.000 dotierten Internationalen<br />

Lego Preis im Jahr 1994.<br />

Dieser wird von Lego an Personen<br />

und Organisationen verliehen, die<br />

einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung<br />

von Lebensbedingungen<br />

von Kindern in allen Teilen<br />

der Welt leisteten. War das Dein<br />

bisher größter „Erfolg“, Deine<br />

bisher größte Anerkennung für<br />

Deine Arbeit?<br />

Juni 2009 Menschen helfen Menschen<br />

Foto: Ch. Jungwirth

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