bull_01_03_Tradition
Credit Suisse bulletin, 2001/03
Credit Suisse bulletin, 2001/03
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Ernst Odermatt<br />
Käser<br />
«<strong>Tradition</strong>en, die nicht mehr gefragt sind,<br />
kann man nicht aufrechterhalten.»<br />
«Der Käse und das Kloster, das ist eine grosse <strong>Tradition</strong>», begrüsst<br />
uns Ernst Odermatt. Doch beinahe wäre diese <strong>Tradition</strong><br />
verloren gegangen. Vor zwei Jahren nämlich ist die Klosterkäserei<br />
ein Opfer der Käsemarktliberalisierung geworden, weil sie ihren<br />
Sbrinz aus eigener Kraft nicht vermarkten konnte.<br />
Doch just zu diesem Zeitpunkt klopften Ernst und Judith<br />
Odermatt bei der Klosterleitung in Engelberg an und präsentierten<br />
das Konzept einer modernen Schaukäserei. Der Käser und<br />
seine Tochter, die Tourismusfachfrau, schlugen den Padres vor,<br />
künftig anstelle des Sbrinz einen Weichkäse zu produzieren –<br />
unter den Augen der Touristen, die live miterleben sollten, wie<br />
Käse von Hand hergestellt wird. Das Projekt überzeugte. Die<br />
Klosterleitung bot Hand für den Umbau, und so ist eine modern<br />
gestylte Schaukäserei entstanden, die seit Anfang Jahr all jene<br />
eines Besseren belehrt, die glauben, die Schweizer Käser hätten<br />
den Anschluss an die Neuzeit verpasst.<br />
«Unsere Weichkäse können heute durchaus mit den französischen<br />
mithalten», glaubt Ernst Odermatt und fügt der warmen<br />
Milch Bakterienkulturen, Kalzium und Lab bei, «aber das Problem<br />
ist, dass man einen Schweizer Käse nicht in der gleichen<br />
Stimmung konsumiert wie einen französischen, da fehlen die<br />
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