24.09.2017 Aufrufe

bull_01_03_Tradition

Credit Suisse bulletin, 2001/03

Credit Suisse bulletin, 2001/03

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

TRADITION<br />

Fotos: Pia Zanetti<br />

ten sie im Sturm. Auch in der herkömmlichen Volksmusikszene<br />

stiessen sie auf viel positives Echo. «Wir hatten schnell Erfolg bei<br />

den Musikanten», sagt Markus. «In der Ländlermusik wird viel<br />

Wert auf die technische Ausführung gelegt. Wenn du schneller<br />

spielen kannst als die anderen, bist du schon mal gut», ergänzt<br />

Dani. Die Beherrschung der traditionellen Ländlermuster sicherte<br />

den Jungs die Anerkennung der alten Volksmusikhasen. «Wir hatten<br />

am Anfang ganz bewusst die urchigen Schnellschottisch<br />

im Programm», erinnert sich Hans. «Dani konnte auf der Klarinette<br />

brillieren, ich am Bass. Da konnten die Puristen sagen, ‹es<br />

ist zwar kein richtiger Bass, aber er kanns wenigstens›». Sie<br />

könnten ja, wenn sie wollten. Aber sie wollen nicht. Nicht mehr.<br />

«Ohne verkrustete <strong>Tradition</strong>en<br />

kommt die Aussage der Musik<br />

viel besser zur Geltung.»<br />

«räm-dä-däm-dä-däm-däm-däm», «Ankebälleli», «Ländler meets<br />

Klezmer». Die Titelwahl, die die Innerschweizer Band «pareglish»<br />

für ihre Stücke trifft, verwirrt Ländlerfreunde und jene, denen<br />

sich das Nackenhaar beim Gedanken an Schweizer Volksmusik<br />

sträubt. Der Name, «pareglish»: Ein Muothataler Dialektausdruck,<br />

übersetzt heisst er «giggerig». Kein Alpenglühen weit und breit,<br />

keine Fahnenschwinger. Stutzig macht auch die Besetzung:<br />

Schwyzerörgeli, Klarinette, Klavier, wie es sich gehört. Aber was<br />

sollen Elektrobass, Harmonium und Synthesizer?<br />

Markus Flückiger, Schwyzerörgeli; Dani Häusler, Klarinette;<br />

Bruno Muff, Piano; Hans Muff, Bass. Seit 1997 sind sie als pareglish<br />

unterwegs, verunsichern Ländlerkonsumenten und eröffnen<br />

Volksmusikhassern neue Horizonte. Der Mix aus Volksmusik verschiedenster<br />

Länder, mit einem Schuss Klezmer, begeistert<br />

Publikum wie Presse und brachte der Band schon im Gründungsjahr<br />

den Prix Walo in der Sparte Volksmusik. Die Band hat die<br />

Auszeichnung zwar gerne entgegengenommen, für die vier Musiker<br />

ist sie aber kein Anlass für ein übersteigertes Selbstwertgefühl.<br />

Was zählt, ist die Musik, die die vier Jungs mit viel Elan,<br />

Witz und Herzblut machen. Doch nicht nur das Publikum eroberpareglish<br />

Volksmusiker<br />

«Für viele ist Ländlermusik ein Heimatersatz»<br />

Alle sind sie mit der Volksmusik aufgewachsen. Hans und Bruno<br />

als Söhne der Ländlerikone Hans Muff. Markus entdeckte als<br />

Siebenjähriger das Schwyzerörgeli und ist seitdem nicht mehr<br />

davon losgekommen. Dani studierte Klarinette am Konservatorium<br />

Luzern. Volksmusik ist der rote Faden, der sich durch ihre Musik<br />

zieht. Aber auch andere Musikstile stehen Pate bei Kompositionen<br />

und Arrangements. Am Anfang spielten sie noch leicht<br />

modifizierte Ländlermusik. Markus: «Wir waren als Ländlerkappelle<br />

mit dem E-Bass die Sensation. Aber nur herkömmliche<br />

Stücke aufpeppen, das finden wir heute nicht mehr spannend.»<br />

Im Vordergrund steht die Spielfreude, Experimente sind an der<br />

Tagesordnung. Sporadische Zusammenarbeit mit Gastmusikern<br />

wie dem Ländlergeiger Noldi Alder oder mit Anton Bruhin, dem<br />

König des «Trümpi», der Maultrommel, prägt die Musik von pareglish<br />

ebenso wie die Suche nach neuen Klängen, die auch mal<br />

vom Computer erzeugt werden dürfen. <strong>Tradition</strong> ehren, weiter entwickeln,<br />

aber nicht konservieren. «Wir möchten von den gängigen<br />

Arrangements wegkommen, weil wir spüren, dass die Aussage<br />

der Musik viel besser zur Geltung kommt, wenn das<br />

Verkrustete wegfällt», erklärt Dani. «Wir leben jetzt. Sogar die hinterletzten<br />

<strong>Tradition</strong>alisten fahren Auto und surfen auf dem Internet.<br />

Wir begreifen nicht, wieso gewisse Leute heute noch auf<br />

dampfbetriebener Musik bestehen», wehrt sich Hans gegen die<br />

Reduitmentalität von Verfechtern einer Volksmusik in Reinkultur.<br />

Seit geraumer Zeit rollt eine Ethnowelle durch die Musikwelt.<br />

Davon profitieren auch pareglish. Bruno: «Bei uns spielt der<br />

Volksmusikbonus sicher eine Rolle. Für viele ist Ländlermusik ein<br />

Heimatersatz, die Suche nach etwas, das verloren gegangen<br />

ist.» So wird die Musik von pareglish auch regelmässig Objekt<br />

von mehr oder weniger weit hergeholten Interpretationen seitens<br />

des Publikums. «Wir wollen nichts weiter, als auf der Bühne<br />

stehen und Musik machen», versichern alle vier einhellig. Und:<br />

«Wir wollen keine Botschaft verbreiten». Auf ihrer Website tun<br />

sies doch: «Die vier Musiker verstehen sich nicht als reine Volksmusik-Interpreten,<br />

sie selbst sind ein Stück Volksmusik, ein heutiges<br />

Stück.» Und bestimmt auch eines von morgen.<br />

Ruth Hafen<br />

Credit Suisse<br />

Bulletin 3|<strong>01</strong><br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!