bull_01_03_Tradition
Credit Suisse bulletin, 2001/03
Credit Suisse bulletin, 2001/03
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TRADITION<br />
Fotos: Pia Zanetti<br />
ten sie im Sturm. Auch in der herkömmlichen Volksmusikszene<br />
stiessen sie auf viel positives Echo. «Wir hatten schnell Erfolg bei<br />
den Musikanten», sagt Markus. «In der Ländlermusik wird viel<br />
Wert auf die technische Ausführung gelegt. Wenn du schneller<br />
spielen kannst als die anderen, bist du schon mal gut», ergänzt<br />
Dani. Die Beherrschung der traditionellen Ländlermuster sicherte<br />
den Jungs die Anerkennung der alten Volksmusikhasen. «Wir hatten<br />
am Anfang ganz bewusst die urchigen Schnellschottisch<br />
im Programm», erinnert sich Hans. «Dani konnte auf der Klarinette<br />
brillieren, ich am Bass. Da konnten die Puristen sagen, ‹es<br />
ist zwar kein richtiger Bass, aber er kanns wenigstens›». Sie<br />
könnten ja, wenn sie wollten. Aber sie wollen nicht. Nicht mehr.<br />
«Ohne verkrustete <strong>Tradition</strong>en<br />
kommt die Aussage der Musik<br />
viel besser zur Geltung.»<br />
«räm-dä-däm-dä-däm-däm-däm», «Ankebälleli», «Ländler meets<br />
Klezmer». Die Titelwahl, die die Innerschweizer Band «pareglish»<br />
für ihre Stücke trifft, verwirrt Ländlerfreunde und jene, denen<br />
sich das Nackenhaar beim Gedanken an Schweizer Volksmusik<br />
sträubt. Der Name, «pareglish»: Ein Muothataler Dialektausdruck,<br />
übersetzt heisst er «giggerig». Kein Alpenglühen weit und breit,<br />
keine Fahnenschwinger. Stutzig macht auch die Besetzung:<br />
Schwyzerörgeli, Klarinette, Klavier, wie es sich gehört. Aber was<br />
sollen Elektrobass, Harmonium und Synthesizer?<br />
Markus Flückiger, Schwyzerörgeli; Dani Häusler, Klarinette;<br />
Bruno Muff, Piano; Hans Muff, Bass. Seit 1997 sind sie als pareglish<br />
unterwegs, verunsichern Ländlerkonsumenten und eröffnen<br />
Volksmusikhassern neue Horizonte. Der Mix aus Volksmusik verschiedenster<br />
Länder, mit einem Schuss Klezmer, begeistert<br />
Publikum wie Presse und brachte der Band schon im Gründungsjahr<br />
den Prix Walo in der Sparte Volksmusik. Die Band hat die<br />
Auszeichnung zwar gerne entgegengenommen, für die vier Musiker<br />
ist sie aber kein Anlass für ein übersteigertes Selbstwertgefühl.<br />
Was zählt, ist die Musik, die die vier Jungs mit viel Elan,<br />
Witz und Herzblut machen. Doch nicht nur das Publikum eroberpareglish<br />
Volksmusiker<br />
«Für viele ist Ländlermusik ein Heimatersatz»<br />
Alle sind sie mit der Volksmusik aufgewachsen. Hans und Bruno<br />
als Söhne der Ländlerikone Hans Muff. Markus entdeckte als<br />
Siebenjähriger das Schwyzerörgeli und ist seitdem nicht mehr<br />
davon losgekommen. Dani studierte Klarinette am Konservatorium<br />
Luzern. Volksmusik ist der rote Faden, der sich durch ihre Musik<br />
zieht. Aber auch andere Musikstile stehen Pate bei Kompositionen<br />
und Arrangements. Am Anfang spielten sie noch leicht<br />
modifizierte Ländlermusik. Markus: «Wir waren als Ländlerkappelle<br />
mit dem E-Bass die Sensation. Aber nur herkömmliche<br />
Stücke aufpeppen, das finden wir heute nicht mehr spannend.»<br />
Im Vordergrund steht die Spielfreude, Experimente sind an der<br />
Tagesordnung. Sporadische Zusammenarbeit mit Gastmusikern<br />
wie dem Ländlergeiger Noldi Alder oder mit Anton Bruhin, dem<br />
König des «Trümpi», der Maultrommel, prägt die Musik von pareglish<br />
ebenso wie die Suche nach neuen Klängen, die auch mal<br />
vom Computer erzeugt werden dürfen. <strong>Tradition</strong> ehren, weiter entwickeln,<br />
aber nicht konservieren. «Wir möchten von den gängigen<br />
Arrangements wegkommen, weil wir spüren, dass die Aussage<br />
der Musik viel besser zur Geltung kommt, wenn das<br />
Verkrustete wegfällt», erklärt Dani. «Wir leben jetzt. Sogar die hinterletzten<br />
<strong>Tradition</strong>alisten fahren Auto und surfen auf dem Internet.<br />
Wir begreifen nicht, wieso gewisse Leute heute noch auf<br />
dampfbetriebener Musik bestehen», wehrt sich Hans gegen die<br />
Reduitmentalität von Verfechtern einer Volksmusik in Reinkultur.<br />
Seit geraumer Zeit rollt eine Ethnowelle durch die Musikwelt.<br />
Davon profitieren auch pareglish. Bruno: «Bei uns spielt der<br />
Volksmusikbonus sicher eine Rolle. Für viele ist Ländlermusik ein<br />
Heimatersatz, die Suche nach etwas, das verloren gegangen<br />
ist.» So wird die Musik von pareglish auch regelmässig Objekt<br />
von mehr oder weniger weit hergeholten Interpretationen seitens<br />
des Publikums. «Wir wollen nichts weiter, als auf der Bühne<br />
stehen und Musik machen», versichern alle vier einhellig. Und:<br />
«Wir wollen keine Botschaft verbreiten». Auf ihrer Website tun<br />
sies doch: «Die vier Musiker verstehen sich nicht als reine Volksmusik-Interpreten,<br />
sie selbst sind ein Stück Volksmusik, ein heutiges<br />
Stück.» Und bestimmt auch eines von morgen.<br />
Ruth Hafen<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 3|<strong>01</strong><br />
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