bull_01_03_Tradition
Credit Suisse bulletin, 2001/03
Credit Suisse bulletin, 2001/03
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TRADITION<br />
Ferienstimmung, die guten Gerüche…» Im Übrigen liesse man<br />
bei uns die Käse viel zu wenig lang reifen.<br />
Dass mit dem Ende der Käseunion viele Käser unter Druck<br />
geraten sind, ist für Ernst Odermatt nicht erstaunlich. «Es hat so<br />
kommen müssen», meint er, «langfristig kann man das Gesetz<br />
von Angebot und Nachfrage nicht einfach aushebeln.» Er selber<br />
hat nie Unionssorten produziert, nie Subventionen eingestrichen,<br />
sondern in seiner eigenen, kleinen Käserei in Dallenwil diverse<br />
Weichkäse produziert… und sich gelegentlich gewundert, wie<br />
unflexibel sich die Käsefunktionäre gebärdeten, wenn sie seine<br />
Weichkäse partout nicht mittransportieren wollten, obschon es<br />
doch zwischen den Emmentaler-Laiben grosse Leerflächen gab.<br />
Fotos: Pia Zanetti<br />
Auch in Oklahoma gibts guten Emmentaler<br />
«Man kann <strong>Tradition</strong>en nicht aufrechterhalten, die nicht mehr<br />
gefragt sind», sagt der 57-jährige Käser, während er die geronnene<br />
Milch mit der Käseharfe zerschneidet.» Aber man kann <strong>Tradition</strong>en<br />
erneuern, um sie zu erhalten.» Wer das nicht tue, bleibe<br />
auf der Strecke. «Die Schweizer Käser haben sich zu lange zu<br />
sicher gefühlt und waren entsprechend arrogant.» Von seinen<br />
Besuchen in ausländischen Käsereien weiss er, «dass die Konkurrenz<br />
nicht geschlafen hat». Er habe im Allgäu oder in Oklahoma<br />
inzwischen genauso guten Emmentaler gegessen wie in der<br />
Schweiz. Schade sei nur, dass es die Schweizer Käsefunktionäre<br />
verpasst hätten, den Emmentaler wenigstens als Namen zu schützen.<br />
Verständnis hat er aber dafür, dass die Schweizer Käser<br />
so lange fast ausschliesslich Hartkäse produzierten. «Bei unserer<br />
starken Ausrichtung auf den Export war und ist das schon richtig.<br />
Denn Hartkäse lassen sich besser transportieren.»<br />
Nein, patriotische Aufwallungen sind seine Sache nicht, im<br />
Gegenteil. «In Übersee stelle ich mich immer als Europäer vor.»<br />
Und: «Ich habe auch gar nichts gegen Ausländer, eine Zeitlang<br />
hat bei mir in der Käserei sogar ein Japaner gearbeitet.» Seine<br />
Ansichten brächten es denn auch mit sich, dass er nicht selten<br />
mit den Linken oder Grünen sympathisiere. Und mit einem verschmitzten<br />
Lachen fügt er an: «Das entspricht nicht dem Klischee,<br />
das Ihr Städter von einem typischen Käser habt, nicht<br />
wahr?» Dann gibt er sich als Ländlerfan zu erkennen und meint:<br />
«Bei meinem Musikgeschmack bin ich eben ein ganz konventioneller<br />
Typ.» Doch sofort schränkt er ein: «Dixieland gefällt mir<br />
aber auch ganz gut.»<br />
Apropos <strong>Tradition</strong>en erneuern: Aus Odermatts Erneuerungsprozess<br />
ist der Rahmweichkäse «Engelberger Klosterglocke»<br />
hervorgegangen, der sich bereits grosser Beliebtheit erfreut. Er<br />
wird nicht nur im Bistro serviert und im Käsefachgeschäft verkauft,<br />
die der Schaukäserei angegliedert sind, sondern auch von<br />
Grossverteilern in der Zentralschweiz vertrieben.<br />
Mit seinen Innovationen – inzwischen ist noch der «Engelberger<br />
Klosterkäse» und «Ein Stück Schweiz» dazugekommen –<br />
sorgt Ernst Odermatt dafür, dass der Käse und das Kloster eine<br />
grosse <strong>Tradition</strong> bleiben.<br />
Karin Burkhard<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 3|<strong>01</strong><br />
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