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FMag 100 J Frauen

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Die Kämpferin | Im Gespräch mit Renate Schmidt<br />

Ich hatte da eigentlich genug um die Ohren: Inzwischen drei Kinder,<br />

meinen Beruf, die Gewerkschaftsarbeit und die Betriebsratstätigkeit<br />

waren noch hinzugekommen. Aber das Misstrauensvotum<br />

gegen Willy Brandt hat einen neuen Anstoß gegeben. Ich sagte mir:<br />

„Also wenn, dann überhaupt die Sozis.“ Und bin dann in die SPD<br />

eingetreten, hatte aber niemals vor, da irgendwas zu werden. Ich<br />

dachte, ich zahle jetzt meinen Beitrag, und das ist doch wunderbar.<br />

Aber mein Ortsvereinsvorsitzender Bertold Kamm hat mir keine<br />

Ruhe gelassen. Und nachdem ich dann für den Wahlkampf 1972<br />

auch noch „Hausbesuche“ angekreuzt hatte, hat er beschlossen:<br />

Die muss ich mir näher ansehen. Meine Hausbesuche sind allerdings<br />

kläglich gescheitert: Ich war damals noch nicht ganz 30, trug<br />

einen Minirock. Die <strong>Frauen</strong> haben mir oft die Tür vor der Nase zugeknallt,<br />

während mich die Herren gern zu einem Schnäpschen eingeladen<br />

haben. Danach hat mich Bertold Kamm dennoch im<br />

Ortsverein zu Vorträgen verpflichtet, die Jusos mich zur Vorsitzenden<br />

einer Spielplatzinitiative auserkoren, und ich sollte auch noch<br />

Stadträtin werden. Letzteres habe ich aber nicht gemacht.<br />

Rapke: Gab es denn eigentlich eine Mentorin oder einen Mentor?<br />

Schmidt: Nein, niemanden. Bis zu meiner Kandidatur für den Bundestag<br />

1980 war ich niemals über den Unterbezirk Nürnberg hin -<br />

ausgekommen. Dann wurde der amtierende Abgeordnete bei uns<br />

nicht mehr aufgestellt, und man hat verzweifelt nach einem Ersatz<br />

gesucht. Wenn der Karren im Dreck steckt, denkt man gerne an eine<br />

Frau als „Herauszieherin“ – nicht nur in der SPD. Als ich das meinem<br />

Mann, der inzwischen Ortsvereinsvorsitzender war, erzählte, sagte<br />

er: „Als dein Genosse sag ich dir: Mache es! und als dein Ehemann<br />

sag ich: Um Himmels willen, lass das bleiben!.“ Nach einem intensiven<br />

interfamiliären Entscheidungsprozess habe ich dann doch<br />

kandidiert. Und von meiner Nominierung am 10. Januar 1980 bis<br />

zum 5. Oktober habe ich neben meinem Beruf 297 Veranstaltungen<br />

gemacht. So wird man bekannt. Und dann habe ich den Wahlkreis<br />

gewonnen: Das hatte niemand für möglich gehalten, denn Oscar<br />

Schneider (CSU) war sehr angesehen und wohl der einzige Kandidat<br />

bundesweit, der nur gegen <strong>Frauen</strong> kandidierte: Petra Kelly von<br />

den Grünen, eine Frau von der FDP und eine Frau von der DKP.<br />

12/2017 DER FREISTAAT<br />

Bayerische Schriften für soziale Demokratie<br />

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