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FMag 100 J Frauen

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Sozial – demokratisch – stark: <strong>100</strong> Jahre Politik von <strong>Frauen</strong> für Bayern<br />

Lebe lang und in Armut: von <strong>Frauen</strong>, Renten und<br />

großen Ungerechtigkeiten<br />

Johanna Werner-Muggendorfer<br />

Die gute Nachricht: <strong>Frauen</strong> leben im Durchschnitt<br />

länger als Männer. Die schlechte: Selten<br />

haben sie was davon – denn viel zu oft sind sie<br />

arm.<br />

Die Gründe sind vielfältig. <strong>Frauen</strong> bekommen<br />

oft viel zu kleine Renten, da etwa die Jahre der<br />

Kindererziehung und die der Pflege von Angehörigen<br />

kaum für die Rentenkasse zählen.<br />

Wenn dann noch die Ehe kaputtgeht, der Ehepartner<br />

verstirbt oder zum Pflegefall wird, ist<br />

Altersarmut vorprogrammiert. Jede dritte<br />

Frau der Babyboomer-Generation wird davon<br />

betroffen sein, schätzen Experten. Ob es danach<br />

für <strong>Frauen</strong> besser wird, ist angesichts der<br />

generell düsteren Rentenprognose nicht sehr<br />

wahrscheinlich.<br />

Mit schuld daran ist das in Deutschland, im<br />

Gegensatz zu anderen EU-Ländern, noch immer<br />

populäre „Versorgermodell“, entstanden in<br />

den 50er-Jahren: Mann geht Vollzeit arbeiten,<br />

Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder<br />

und verdient allenfalls noch etwas dazu. Über<br />

die Hälfte der <strong>Frauen</strong> in Deutschland ist auch<br />

2017 noch der Meinung, dass die Frau drei Jahre<br />

lang nach der Geburt eines Kindes zu Hause<br />

bleiben und dann nur in Teilzeit arbeiten sollte.<br />

Und selbst bei Familien, in denen beide Partner<br />

Vollzeit arbeiten, sind Haushalt und Kinder<br />

noch immer überwiegend in <strong>Frauen</strong>hand, belegen<br />

Studien. Dagegen arbeiteten noch vor<br />

zwei Jahren nur neun Prozent aller Männer in<br />

Teilzeit. Rund 30 Prozent der Väter nehmen immerhin<br />

Elternzeit – doch 80 Prozent davon nur<br />

für die Mindestdauer von zwei Monaten.<br />

Den <strong>Frauen</strong> einen Vorwurf zu machen, dass<br />

sie in Teilzeit gehen oder ganz zu Hause bleiben,<br />

ist jedoch zu kurz gegriffen. Denn die<br />

Versorgung mit Kitaplätzen passt sich zu<br />

langsam den Bedürfnissen an, es fehlen Erzieherinnen<br />

und Erzieher erst recht in den Randzeiten.<br />

Kein Wunder: Das Verhältnis von<br />

Verantwortung und Bezahlung ist wohl in wenigen<br />

Berufen so absurd. Noch düsterer sieht<br />

es nach Kita und Kindergarten aber in den<br />

Grundschulen aus: Es gibt viel zu wenige<br />

Ganztagsgrundschulen, das Betreuungsangebot<br />

nach Schulschluss und in den Ferienzeiten<br />

lassen zwei Vollzeitjobs oder etwa ein gerechteres<br />

80-80-Teilzeitverhältnis in der Familie<br />

einfach oft nicht zu. 2015 besuchten in Bayern<br />

30 Prozent der unter Dreijährigen eine Kita,<br />

94,1 Prozent der Kinder besuchten ab drei Jahren<br />

einen Kindergarten – und nur die Hälfte<br />

aller Kinder wurde in der Grundschulzeit nach<br />

der Schule betreut, zum Beispiel im Hort oder<br />

in der Mittagsbetreuung.<br />

Egal, ob Mütter relativ schnell wieder im Job<br />

arbeiten oder damit drei Jahre warten wollen:<br />

Auch die Wirtschaft hängt oft noch in den<br />

50er-Jahren fest. Meetings werden für den<br />

späten Nachmittag anberaumt, Teilzeitbeschäftigte<br />

im Betrieb belächelt oder Teilzeitarbeit<br />

besonders bei Männern aus<br />

fadenscheinigen Gründen direkt abgelehnt.<br />

Auf der anderen Seite gibt es noch immer Anerkennung<br />

dafür, bis spät in die Nacht im Büro<br />

zu sitzen – während dieses Verhalten etwa in<br />

Skandinavien längst als Beweis für Ineffizienz<br />

gilt.<br />

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12/2017 DER FREISTAAT<br />

Bayerische Schriften für soziale Demokratie

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