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FMag 100 J Frauen

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Sozial – demokratisch – stark: <strong>100</strong> Jahre Politik von <strong>Frauen</strong> für Bayern<br />

Hart erkämpft! Gleiches Recht für <strong>Frauen</strong>?<br />

Alexandra Hiersemann<br />

Die erste Rede einer Frau in einem demokratisch<br />

gewählten deutschen Parlament hielt<br />

am 19. Februar 1919 die Sozialdemokratin<br />

Marie Juchacz. Die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt<br />

und 17 Millionen andere <strong>Frauen</strong> in<br />

Deutschland konnten einen Monat zuvor das<br />

erste Mal von ihrem aktiven und passiven<br />

Wahlrecht Gebrauch machen. Was heute<br />

selbstverständlich ist, musste hart erkämpft<br />

werden und war für damalige Verhältnisse<br />

eine Sensation. Ohne die Umwälzungen des<br />

Ersten Weltkriegs und der Revolution in<br />

Deutschland hätte das Wahlrecht für <strong>Frauen</strong><br />

auch ohne Zweifel noch viele Jahre auf sich<br />

warten lassen. In Großbritannien mussten<br />

<strong>Frauen</strong> bis 1928, in Frankreich bis 1944 und in<br />

der Schweiz sogar bis 1971 warten, bis sie das<br />

vollumfängliche Wahlrecht hatten. Marie Juchacz<br />

– vehemente Kämpferin für die Rechte<br />

der <strong>Frauen</strong> – verwies in ihrer ersten Rede im<br />

Reichstag auf die Rechte, aber auch die Macht<br />

der <strong>Frauen</strong>, indem sie darauf hinwies, dass die<br />

Frau nun „vollberechtigte Staatsbürgerin“ sei<br />

und „<strong>Frauen</strong> in der Industrie, in Handel und<br />

Verkehr, als Staatsbeamte und Angestellte im<br />

freien, künstlerischen und wissenschaftlichen<br />

Beruf eine wichtige Rolle spielen“.<br />

Nach dem Ende des Nationalsozialismus<br />

sollte eine weitere Frau die Grundlagen der<br />

<strong>Frauen</strong>rechte in der neuen Bundesrepublik<br />

legen: Elisabeth Selbert, Juristin und eine von<br />

vier weiblichen Mitgliedern des Parlamentarischen<br />

Rates, der das Grundgesetz für die<br />

Bundesrepublik Deutschland ausarbeitete.<br />

Elisabeth Selbert forderte, die Formulierung<br />

„Männer und <strong>Frauen</strong> sind gleichberechtigt“ in<br />

die Verfassung aufzunehmen, wie es die Verfassungsgebende<br />

Landesversammlung in Bayern<br />

bereits 1946 getan hatte. Nach mehrfacher<br />

Ablehnung dieses Vorschlags durch die Mehrheit<br />

des Rates, nach zähen Verhandlungen<br />

und einer von ihr mitinitiierten Öffentlichkeitskampagne<br />

gelang es ihr und ihren drei<br />

Mitstreiterinnen schließlich doch, den Passus<br />

durchzusetzen. Dadurch wurde die Gleichberechtigung<br />

als imperativer Auftrag an den Gesetzgeber<br />

verankert und der Weg zu einer<br />

gleichberechtigten Teilhabe von <strong>Frauen</strong> und<br />

Männern in Politik und Gesellschaft geschaffen.<br />

Die Realität der deutschen Nachkriegsgesellschaft<br />

widersprach aber ebendieser verfassungsrechtlich<br />

zugesicherten Gleichberechti -<br />

gung. Viele im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte<br />

Bestimmungen, die zum Teil noch aus<br />

dem Jahr 1896 stammten, mussten geändert<br />

werden. Auch dies musste gegen deutliche Widerstände<br />

durchgesetzt werden und dauerte<br />

Jahrzehnte. So wurde erst 1957 das Gleichberechtigungsgesetz<br />

verabschiedet, das den Auftrag<br />

der Gleichberechtigung des Grundgesetzes<br />

konkret umsetzen sollte. Erst ab 1976<br />

mussten <strong>Frauen</strong> nicht mehr zwingend den<br />

Nachnamen ihres Mannes annehmen, erst<br />

nach 1977 konnte der Mann den Arbeitsplatz<br />

seiner Ehefrau nicht mehr kündigen, erst 1980<br />

erhielten <strong>Frauen</strong> das Anrecht auf gleiches Entgelt,<br />

und bis 1997 hat es gedauert, bis alle „erzwungenen<br />

sexuellen Handlungen“, auch die<br />

in der Ehe, unter Strafe gestellt wurden.<br />

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12/2017 DER FREISTAAT<br />

Bayerische Schriften für soziale Demokratie

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