FMag 100 J Frauen
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Sozial – demokratisch – stark: <strong>100</strong> Jahre Politik von <strong>Frauen</strong> für Bayern<br />
<strong>Frauen</strong> werden auch krank – aber anders:<br />
höchste Zeit für einen bayerischen Lehrstuhl für<br />
medizinische Genderforschung<br />
Kathrin Sonnenholzner<br />
Medizinische Forschung und daraus folgende<br />
Therapien richten sich auch heute in vielen<br />
Bereichen nach dem Durchschnittsmann. Die<br />
Erkenntnis, dass es bei nahezu allen Krankheitsbildern<br />
geschlechterspezifische Unterschiede<br />
gibt, ist erschreckend neu. Erst in den<br />
80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde es<br />
Thema und zunächst in den USA auf die Tagesordnung<br />
gebracht. Inzwischen wissen wir<br />
aus vielen Bereichen, dass <strong>Frauen</strong> und Männer<br />
auch in der Gesundheitsversorgung völlig andere<br />
Bedürfnisse haben. Sowohl die Dosierung<br />
von Medikamenten als auch deren<br />
Wirkung ist unterschiedlich. So wissen wir seit<br />
einigen Jahren, dass Aspirin als Blutverdünner<br />
Männer vor Herzinfarkt, <strong>Frauen</strong> aber vor<br />
Schlaganfall schützt. Seit 2004 gibt es in<br />
Deutschland eine gesetzliche Verpflichtung,<br />
<strong>Frauen</strong> angemessen an Pharmastudien zu beteiligen.<br />
Leider ist das immer noch viel zu<br />
wenig der Fall.<br />
Erschreckend ist, dass Herzinfarkte bei <strong>Frauen</strong><br />
später und schlechter als bei Männern dia -<br />
gnostiziert werden. Das liegt auch daran, dass<br />
sogar 62 Prozent der <strong>Frauen</strong> selbst glauben,<br />
dass die Haupttodesursache bei <strong>Frauen</strong> eine<br />
Krebserkrankung ist. Wahr ist, dass 56,8 Prozent<br />
der <strong>Frauen</strong>, aber nur 43,2 Prozent der Männer<br />
an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben.<br />
Ein weiteres von vielen Beispielen ist das<br />
Thema Aids. Zwar sind nur 20 Prozent der Infizierten<br />
<strong>Frauen</strong>, aber bei denen wird die Dia -<br />
gnose oft erst dann gestellt, wenn sie das<br />
Vollbild der Erkrankung aufweisen – und das<br />
führt zu einer signifikant schlechteren Pro -<br />
gnose.<br />
Auch im Umgang mit Krankheiten spielen Geschlechterunterschiede<br />
eine große Rolle. <strong>Frauen</strong><br />
können sich einerseits oft weniger gut gerade<br />
auf längere Behandlungen einlassen, weil sie<br />
die Familie daheim und deren Bedürfnisse im<br />
Hinterkopf haben. Anderseits ist die gute<br />
Nachricht, dass sie viel öfter Präventionsangebote<br />
wahrnehmen und auch für nötige Lebensstilveränderungen<br />
aufgeschlossener sind.<br />
Bisher gibt es wenige frauenspezifische Reha-<br />
Einrichtungen, aber die wissenschaftliche Be-<br />
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12/2017 DER FREISTAAT<br />
Bayerische Schriften für soziale Demokratie