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NeueChorszene 28 - Ausgabe 1/2018

Zeitschrift des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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VOM GUTEN<br />

UND DER LIEBEN<br />

Guter Gewohnheit folgend, nicht tonangebend die erste Seite beanspruchend,<br />

sondern einen Schlusston setzend, mit dem unsere Zeitschrift kulinarisch ausklingt,<br />

packt der Chronist die Gelegenheit beim Schopf, einen anderen Ton anzuschlagen,<br />

als die im Brustton der Überzeugung verfassten Betrachtungen unserer<br />

Zeitschrift vermitteln, und folgt damit den Erwartungen, den richtigen Ton<br />

für den Schlussakkord zu finden, kein Klagelied, kein Larifari oder Gedöns, kein<br />

Paukenschlag, sondern eben jene leisen Töne, mit denen uns ein gutes Konzert<br />

entlässt. Dazu muss man nicht alle Töne der Klaviatur beherrschen. Es reicht,<br />

wenn man den guten Ton wahrt und sich nicht im Ton vergreift.<br />

Vielen Dank für Ihre Geduld, liebe Leser,<br />

aber der kleine Ausflug in die Musikmetaphern<br />

unseres sprachlichen Alltages<br />

offenbart einen Wesenszug unseres<br />

Chores. So wie die<br />

Sprache durchdrungen<br />

ist von Musikmetaphern,<br />

mischen sich Laien und<br />

Profis im Chor des Musikvereins<br />

und bereichern<br />

einander. So wie die ausgebildeten<br />

Sänger Tipps<br />

und Tricks ihrer Gesangstechnik<br />

an die anspruchsvollen<br />

Freizeitsänger weitergeben,<br />

staunen die repertoiresicheren<br />

Solisten<br />

über das im akribischen<br />

Fleiß erworbene Hintergrundwissen<br />

zu den jeweiligen Kompositionen,<br />

das dem Gesang der Laien<br />

zu so viel Leidenschaft und Ausdruck<br />

verhilft.<br />

Aber die Metaphern geben noch etwas<br />

anderes preis: Alle musikalischen<br />

Bilder unserer Sprache betreffen die<br />

sittliche Dimension der Sprache. Den<br />

„richtigen Ton treffen“ heißt ja nicht, etwas<br />

genauer zu bezeichnen oder einen<br />

zutreffenden Terminus technicus zu<br />

finden, sondern sich im gesellschaftlichen<br />

Umfeld angemessen und erfolgreich<br />

auszudrücken, zu bewegen, ja<br />

insgesamt zu verhalten.<br />

„Sich im Ton zu vergreifen“<br />

stellt einen moralischen<br />

Verstoß dar, nicht<br />

bloß einen verzeihlichen<br />

Missgriff eines der zehn<br />

Finger auf der Klaviatur.<br />

Wie sehr eine Gesellschaft<br />

auf den „guten<br />

Ton“, den selbstreflektierten<br />

Umgang miteinander<br />

angewiesen ist, zeigt ein<br />

Blick auf die Anstandsbücher.<br />

Man ist leicht versucht<br />

anzunehmen, dass<br />

die Bücher über Wohlverhalten eine<br />

NC<strong>28</strong> Seite 84<br />

TON<br />

NOT<br />

U D O KASPROWICZ<br />

Begleiterscheinung gesellschaftlicher<br />

Umbrüche seien, wenn infolge eines<br />

wirtschaftlichen Strukturwandels oder<br />

einer sozialen Revolution Aufsteiger<br />

gesellschaftliche Positionen erlangen,<br />

in denen sie Regeln erlernen mussten,<br />

von denen ihr Erfolg abhing. Dagegen<br />

spricht, dass schon im Mittelalter und<br />

der frühen Neuzeit Fürstensöhnen mit

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