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NeueChorszene 28 - Ausgabe 1/2018

Zeitschrift des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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sein – ein Herr aber darf die von einer<br />

Dame ihm dargereichte Hand<br />

unter keinen Umständen ausschlagen;<br />

das wäre eine Beleidigung<br />

schwerster Art.<br />

Drückt eine Dame einem Herrn die<br />

Hand, so gibt sie ihm das Recht,<br />

bei ihr eine Zuneigung für ihn vorauszusetzen.<br />

Ist diese Zuneigung<br />

gegenseitig, dann verrät der Händedruck<br />

das Geheimnis des Herzens,<br />

und das Weitere gehört nicht<br />

in den Kreis der Erörterungen in<br />

dieses Buches. 2<br />

Die Gesetze des „guten Tons“ passten<br />

sich im Laufe der Zeit den jeweiligen<br />

gesellschaftlichen Gegebenheiten<br />

an, alte Regeln wurden stillschweigend<br />

weggelassen, neue Regeln hinzugefügt.<br />

Die Protokollchefin des Bundeskanzleramtes<br />

unter Konrad Adenauer,<br />

Erica Pappritz, veröffentlicht 1956 „Das<br />

Buch der Etikette“, in dem sie den Verhaltenskodex<br />

des Bürgertums aus dem<br />

19. Jahrhundert für die Gesellschaft der<br />

Bundesrepublik passend machte. Wir<br />

begegnen Sätzen wie<br />

„Handküsse gehören unter gar keinen<br />

Umständen unter den freien<br />

Himmel (…) Ausnahme: ein Gartenfest:<br />

da dürfen Sie sich über<br />

verheiratete Hände (als solche gelten<br />

auch jene, die einer unverheirateten,<br />

nicht mehr jungen Dame<br />

angehören, die eine Stellung im<br />

öffentlichen Leben innehat und den<br />

Titel „Frau“ führt) beugen, denn der<br />

Himmel über einem Privatgarten ist<br />

natürlich ebenfalls privat und gilt<br />

als Bedeckung im Sinne des Handkuss.“<br />

2 Berger, Otto Freiherr: Der gute Ton. Leipzig<br />

1886, S. 67.<br />

Oder<br />

NC<strong>28</strong> Seite 86<br />

„Für die Operettenpremiere genügen<br />

Smoking und ein kleines<br />

Abendkleid, während laufende<br />

Vorstellungen ohne weiteres im<br />

dunklen Anzug oder ebensolchem<br />

Nachmittagskleid besucht werden<br />

können. Mit dem Frack in der<br />

Operette dagegen wird man in den<br />

meisten Fällen „overdressed“ sein<br />

(…) Eigentlich ist es schade, dass<br />

die jüngere Generation vielfach das<br />

Gefühl dafür verloren hat, wie stark<br />

sich die Freude an einem künstlerischen<br />

oder auch nur unterhaltsamen<br />

Abend durch die Wahl der<br />

passenden festlichen Kleidung steigern<br />

lässt.“ 3<br />

So sehr man als Chorsänger mit seinem<br />

publikumszugewandten Blick dieses<br />

Bedauern auch teilt, so mangelt es<br />

doch an Mut, sich öffentlich zu einem<br />

festlichen, die Künstler ehrenden Auftreten<br />

zu bekennen. Konsensfähig sind<br />

allenfalls Aussagen von solcher Unverbindlichkeit,<br />

dass sie einer Empfehlung<br />

zur „Haute couture der privatesten<br />

Wohlfühlklamotten“ gleich kommen, die<br />

an manchen Konzertabenden dem Stilempfinden<br />

einer unübersehbaren Anzahl<br />

der Besucher bereits entspricht.<br />

Wem anders als dem Musikverein,<br />

der sich den guten Ton im Konzert<br />

durch Streben nach Professionalität<br />

verpflichtet weiß, fällt die Aufgabe zu,<br />

den richtigen Ton für alle Lebenslagen,<br />

insbesondere der durch Musik bestimmten,<br />

zu finden?<br />

3 Graudenz, Karl Heinz: das Buch der Etikette.<br />

Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Marbach am<br />

Neckar (1955), S. <strong>28</strong>5

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