88 deli 2|<strong>2017</strong> Food-Reportage
Frauen am Herd Warum haben es Frauen in Profiküchen so schwer? Und stimmt das überhaupt? Wir haben uns in Berlins Gastroszene umgeschaut und mit drei Köchinnen gesprochen, die es wissen müssen Illustration: Frauke Ditting; Text: Ferdinand Dyck Vorne eine Einbauküche in Creme, hinter den Fenstern eine Dorfidylle auf Leinwand, so waren vor 30 Jahren Kochshows dekoriert. Diese aus dem Jahr 1987 heißt „Thommys Kochstudio“, und das ist noch nicht das Schlimmste. Wie Thomas Gottschalk die zierliche Frau in der weißen Schürze neben sich betatscht, ist schwer zu ertragen. Der Witz, der folgt, ist mindestens dumm: „Männer haben wahrscheinlich doch den feineren Geschmack als Frauen.“ Die Köchin erträgt beides mit Fassung – sie ist es gewohnt. Doris-Katharina Hessler, die Frau aus der Sendung, war mal die beste Köchin Deutschlands. 25 Jahre in Folge wurde ihre leichte, moderne Küche mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Sie verwendete weniger Sahne und Butter, dafür mehr Vollkorn, kochte als eine der Ersten mit asiatischen Sprossen. Die männlichen Kollegen und Kritiker verspotteten sie als „Körner- Katharina“. Die 80er und ihre Kochshows sind längst vorbei, die alten Vorurteile hielten sich hartnäckiger: Frauen kämen mit Stress nicht zurecht. Seien zu schwach, schwere Kochtöpfe zu wuchten. Besäßen nicht genug Kreativität – das alles haben berühmte Köche schon mal auf die Frage geantwortet, warum es immer noch so wenige Spitzenköchinnen gebe. Nun hat Deutschland seit fünf Jahren mit Douce Steiner seine erste 2-Sterne- Köchin, Fernsehköchinnen wie Sarah Wiener oder Cornelia Poletto kennt eh jeder. Ist mit dem Frauen-Bashing in der Küche nun endlich Schluss? Mit welchen Problemen haben erfolgreiche Köchinnen noch immer zu tun? Und warum werden lediglich sechs der 310 Sterne- Restaurants in Deutschland von Küchencheffinnen geleitet? Wir fragen, drei Berliner Köchinnen antworten. O DIE GRÜNDERIN Dienstagabend, 21 Uhr, Neukölln, Ecke Kreuzberg. In 200 Meter Entfernung liegen ein japanisches Knödelrestaurant, ein Craft-Bier-Laden und eine gluten - freie Bäckerei. Hipper wird Berlin gerade nicht. Dazwischen hat Aparna Aurora (49) ihr zweites „Chutnify“- Restaurant eröffnet. Die ehemalige Modedesignerin bietet Currys und Chutneys aus ihrer süd indischen Heimat an. Am Anfang hat sie die noch selbst gekocht, dann kam der Erfolg. Heute setzen fünf Köche ihre kulinarischen Vorstellungen um. Aparna, du hast dich dem Feminist Food Club angeschlossen, einer Art Frauen-Gastro-Netzwerk. Warum? Weil wir Frauen in der Branche immer noch andere Erfahrungen machen als Männer. Etwa, dass Köche lieber mit dem Manager als mit der Besitzerin über Probleme sprechen. Dass Lieferanten überrascht sind, dass eine Frau das Sagen hat. Dass man abends angeflirtet wird. Da tut es gut, sich auszutauschen. Wer flirtet? Vor allem Lieferanten und Gäste. Wenn ich um 22 oder 23 Uhr im Restaurant bin, sagt schon mal einer: ,Komm, lass uns was trinken gehen. Bei dir zu Hause schlafen doch eh schon alle.’ Haben diese Erfahrungen dich ver ändert? Zumindest mein Auftreten. Ich habe gemerkt, dass ich klar sagen muss: ,Ich bin die Chefin, ich bestimme die Regeln.’ Dass ich hart sein muss. Es ist halt immer noch eine Männerwelt. Also stimmt das Gerücht, dass die Profiküche ein hartes Geschäft ist? Es geht schon sehr stressig zu, und es wird auch mal laut, einfach weil so viele 2|<strong>2017</strong> deli 89