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Berliner Zeitung 18.05.2019

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20 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 114 · 1 8./19. Mai 2019<br />

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Berlin bewegt sich<br />

Gegen die Wand<br />

Nach 20 Jahren zurück im Squash-Court:<br />

Unsere Autorin entdeckt die<br />

Trendsportart der 80er-Jahre neu<br />

VonSusanne Rost<br />

Alexander Korsch spielt nicht nur seit 30 Jahren Squash, er ist auch Trainer und seit 20 Jahren Präsident des Squash-Landesverbandes. Bei der Schnupperstunde mit unserer Autorin kam er nicht ins Schwitzen.<br />

SABINE GUDATH<br />

Fangen wir ausnahmsweise<br />

mal hinten an. Am Po. Er<br />

schmerzt ziemlich am Tag<br />

nach dem Squash-Schnuppertraining.<br />

Aber Experte Alexander<br />

Korsch hatte mich vorgewarnt: Ich<br />

werde gehörig Muskelkater haben,<br />

sagte der 55-Jährige, als wir nach<br />

eineinhalb Stunden das „Court“ genannte<br />

Spielfeld verlassen.<br />

Doch von vorne: An diesem Vormittag<br />

haben wir die freieWahl unter<br />

den sieben Courts im Insel Sports<br />

Club Marienfelde, kein anderer will<br />

zu diesem Zeitpunkt den kleinen<br />

Gummiball gegen die Wand donnern.<br />

Bevor wir loslegen, steht<br />

Warmmachen auf dem Programm.<br />

Nicht nur für uns, sondern auch für<br />

den Ball. Alexander Korsch rollt ihn<br />

unter seiner Schuhsohle hin und her.<br />

DerTrainer bekommt was ab<br />

Ein kalter Ball springt nicht so gut,<br />

erklärt der Mann, der diesen Sport<br />

seit 30 Jahren betreibt, mit seinem<br />

Verein Fitfun gerade in die Regionalliga<br />

–die zweithöchste Spielklasse –<br />

aufgestiegen ist und dem Berlin-<br />

Brandenburger Squash-Verband seit<br />

20 Jahren als Präsident vorsteht.<br />

Der Ball ist warm und weich, als<br />

Alexander Korsch ihn unter seiner<br />

Schuhsohle hervorholt und mir<br />

reicht. Die kleine Kugel würde auch<br />

im Spiel weich werden, bei jedem<br />

Aufprall an der Wand ein bisschen<br />

mehr. Vom englischen Verb squash<br />

für zusammenpressen hat die Sportart<br />

ihren Namen. Der Ball kommt<br />

aber auch anderweitig zum Einsatz:<br />

Nachwuchsspieler bekämen ihn unter<br />

die Achsel geklemmt, damit sie<br />

lernen, den Oberarmeng am Körper<br />

zu halten und mit dem Schläger<br />

nicht –wie beim Tennis –zuweit<br />

auszuholen.<br />

Dass Alexander Korsch das relativ<br />

früh zu Beginn unseres Trainings erklärt,<br />

hat einen Grund: Beieinem der<br />

ersten Ballwechsel erwische ich ihn<br />

prompt mit meinem Schläger, er<br />

steckt den Klaps ohne Klagen weg.<br />

Squash ist eine der wenigen Rückschlagsportarten,<br />

bei dem sich die<br />

Spieler nicht gegenüberstehen, sondern<br />

nebeneinander. Und manchmal<br />

eben auch nah beieinander.<br />

Zum Glück muss ich mir keine<br />

Bälle unter die Achsel klemmen. Das<br />

hätte es schwieriger gemacht, die<br />

Bälle zu treffen. Zwar erreiche ich<br />

viele der Bälle,die mir der Trainer zuspielt,<br />

aber nicht immer fliegen sie –<br />

zum Leidwesen der Fotografin –in<br />

die Richtung, die ich angepeilt habe.<br />

Wobei es unwichtig ist, an welcher<br />

der vier Wände der Ball landet,<br />

Hauptsache er berührteine.Ziel des<br />

Spiels ist es,den Ball so zu platzieren,<br />

dass der Gegner ihn nicht mehr erreichen<br />

kann, bevor er zum zweiten<br />

Malden Boden berührt.<br />

Mein Ziel ist erst einmal, halbwegs<br />

richtige Vorhand- und Rückhand-Ballwechsel<br />

hinzubekommen.<br />

Alexander Korsch zeigt mir, wie ich<br />

den Schläger richtig halte und wie<br />

ich Bälle am besten annehme. Wir<br />

üben erst die Vorhand, dann die<br />

Rückhand, die erstaunlicherweise<br />

besser klappt als gedacht.<br />

ORTE & PREISE<br />

Squashcenter gibt es immer noch einigeinBerlin, auch wenn ihre Zahl in den vergangenen<br />

Jahren zurückgegangen ist. Nachfolgend eine Übersicht, die nicht zwingend vollständig ist. Die<br />

Preise beziehen sich auf 45 Minuten und, falls nicht anders genannt, pro Court. Meist ist es<br />

vormittags günstiger als abends und werktags billiger als am Wochenende.<br />

Insel Sports Club, Motzener Straße 5, 12277 Berlin-Marienfelde, Tel. 030/721 10 90,<br />

Website: www.insel-sports-club.de; Preise: zwischen 14 und 18 Euro.<br />

Squash House, Vulkanstraße 3, 10367 Berlin-Lichtenberg,Tel. 030/559 77 27, Website:<br />

www.squash-house.de; Preise: zwischen 6und 10 Euro.<br />

Squash 2000, Persiusstraße 7a, 10245 Berlin-Friedrichshain, Tel. 030/291 29 11, Website:<br />

www.squash2000-paramount-fitness.de; Preise: zwischen 7und 20 Euro.<br />

AirportSquash, Rue Charles Calmette 11D,13405 Berlin-Tegel, Tel. 030/32 51 26 36,<br />

Website: http://www.airportsquash.de; Preise zwischen 6und 9Euro.<br />

Fitness Galerie, Hubertusdamm 45/47, 13125 Berlin-Weißensee, Tel.<br />

030/941 31 49, Website: http://www.fitness-galerie-karow.de; Preise 9bis 11 Euro.<br />

Preußenpark, Kamenzer Damm 34, 12249 Berlin-Steglitz, Tel. 030/775 10 51, Website:<br />

http://preussenpark-berlin.de; Preise 13 bis 19 Euro.<br />

Sportcenter Wittenau, Wittenauer Str.82–86, 13435 Berlin-Reinickendorf, Tel.<br />

030/403 50 60, Website http://sportcenter-wittenau.de; Preise 13 bis 16 Euro<br />

SportFactory, Warener Str.5,12683 Berlin–Marzahn, Tel. 030/563 85 85, Website<br />

www.sportfactory-berlin.de; Preis 5Euro pro Person.<br />

Squash-Tennis-Nord,Treuenbrietzener Str.36, 13439 Berlin-Reinickendorf,Tel.030/<br />

415 30 11, Website http://squash-tennis-nord.de; Preise 12 bis 14 Euro (60 Minuten).<br />

Wellness Club in den Spreehöfen, Wilhelminenhofstr.89, 12459 Berlin-Köpenick,<br />

Tel. 030/ 530 140 70, Website http://derwellnessclubberlin.de; Preis 5bis 6Euro.<br />

„Squash ist vergleichsweise leicht<br />

zu erlernen“, sagt der Mann aus dem<br />

brandenburgischen Mahlow, die Regeln<br />

könne man sich gut alleine aneignen.<br />

Etwa dass der obere rote<br />

Strich, der sich über alle vier Wände<br />

des Courts zieht, die Auslinie ist und<br />

der Ball folglich darunter aufkommen<br />

sollte. Oder dass der Ball beim<br />

Aufschlag über die mittlere Linie an<br />

der Frontwand zu spielen ist. Freizeitspieler<br />

bräuchten nicht zwingend<br />

einen Lehrer, sagt Korsch, der<br />

selbst über eine Trainerlizenz der<br />

zweithöchsten Kategorie Bverfügt.<br />

Ein Trainer sei aber sofort empfehlenswert,<br />

wenn man merke, dass<br />

man Squash ernsthaft, vielleicht sogar<br />

wettkampfmäßig betreiben will.<br />

„Falsch gelernte Technik zu korrigieren,<br />

bedeutet einen siebenmal höheren<br />

Aufwand, als es gleich richtig zu<br />

lernen“, sagt Korsch.<br />

Es ist 20 Jahre her, dass ich mit<br />

Freunden Squash gespielt habe,<br />

fachkundige Anleitung hatten wir<br />

nie. Inden 2000er-Jahren habe ich<br />

meinen Squashschläger dann auf einem<br />

Kreuzberger Flohmarkt verkauft,<br />

nachdem er jahrelang ungenutzt<br />

herumgelegen hatte.Das ist typisch:<br />

In den 90er-Jahren hat der<br />

Hochtemposportgeboomt, nach der<br />

Jahrtausendwende ging es bergab.<br />

„Etwa die Hälfte der Squashcenter in<br />

Berlin hat in den vergangenen Jahren<br />

geschlossen“, berichtet Alexander<br />

Korsch. Die Eigentümer vieler<br />

Immobilien mit derartigen Sportanlagen<br />

merkten, dass etwa eine Nutzung<br />

als Einkaufscenter für sie lukrativer<br />

ist, besonders in zentralen Lagen.<br />

Die Randlagen der Squashcenter<br />

machten es fortan nicht<br />

einfacher,neue Spieler zu gewinnen.<br />

Ob ich zu dem Sportzurückfinde?<br />

Alexander Korsch gibt sich große<br />

Mühe: Er berichtet, dass das Verletzungsrisiko<br />

niedriger sei als vielfach<br />

kolportiert, dass Frauen hochwillkommen<br />

sind in dieser vonMännern<br />

dominierten Sportart, und er verweist<br />

auf den Kalorienverbrauch, der<br />

deutlich höher sei als etwa beim Joggen.<br />

Dass das stimmt, merke ich gegen<br />

Ende des Schnuppertrainings.Da<br />

spielen wir 20 Minuten richtig, zumindest<br />

fühlt es sich für mich so an.<br />

Falscher Fuß, ständige Sprints<br />

Malkommt der Ball auf derVorhand,<br />

mal auf der Rückhand, mal weit<br />

vorne imFeld, mal eher hinten, mal<br />

vonder Seite.Alexander Korsch ist so<br />

freundlich, mir zuzurufen, was mich<br />

erwartet. So kann ich versuchen, das<br />

zu Beginn des Schnuppertrainings<br />

Erlernte abzurufen. Dasklappt nicht<br />

immer. „Falscher Fuß vorn“,<br />

schimpfe ich mich selbst. Manchmal<br />

bin ich einfach zu langsam, obwohl<br />

das Spielfeld mit 9,75 Metern Länge<br />

und 6,40 Metern Breite ja nun wirklich<br />

nicht groß ist. Die ständigen<br />

Sprints,das rasche Abbremsen bringen<br />

mich schnell außer Atem. Aber<br />

Spaß macht es auch, vorallem wenn<br />

der Ball mit Wumms gegen die Wand<br />

donnert. „Das gibt aber Muskelkater“,<br />

warnt mich der Trainer.<br />

Doch das ist mir in dem Moment<br />

egal, ein paar Minuten gehen noch.<br />

VomKnast zum Court<br />

Ballspiele im Hof des Londoner Gefängnisses<br />

Fleet, festgehalten von Augustus<br />

Pugin und Thomas Rowlandson. ARCHIV<br />

England, 18. Jahrhundert<br />

Als Vorläufer des Squash gelten die<br />

Ballspiele „Fives“ und „Rackets“.<br />

Bei„Fives“ –inEngland bis zum Ende<br />

des 18. Jahrhunderts sehr beliebt –<br />

sind die Regeln simpel: Ein Ball wird<br />

mit der Hand oder einem Handschuh<br />

so gegen eine oder mehrere Wände<br />

geschlagen, dass der Gegner ihn nicht<br />

mehr erreicht. Bei „Rackets“ kamen<br />

bereits Schläger zum Einsatz.<br />

Sporthistoriker halten ein Londoner<br />

Gefängnis, das Fleet Prison, für<br />

die Keimzelle dieses Sports.Dortsollen<br />

Häftlinge um 1800 begonnen haben,<br />

sich in ihren Zellen und im Hof<br />

mit dem Ballspiel die Zeit zu vertreiben.<br />

AndereQuellen berichten Ähnliches<br />

von Mönchen. Das Spiel<br />

wurde bald zum Volkssport, auf<br />

Schulhöfen entstanden von vier Seitenwänden<br />

begrenzte und mit Parkettboden<br />

ausgestattete Rackets-<br />

Courts. Die erste Squash-Halle soll<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts in London<br />

errichtet worden sein. (ost.)<br />

Die „Wandballhalle“ in Siemensstadt (Foto<br />

von 1953) warhierzulande die erste<br />

Squash-Anlage.<br />

SIEMENS<br />

Berlin, 30er-Jahre<br />

In Deutschland wurde 1934 die<br />

erste – wie man damals sagte –<br />

Wandballhalle eröffnet, und zwar in<br />

Berlin, auf dem Siemens-Gelände.<br />

Ernst von Siemens, damals Leiter<br />

des Bereichs Fernmeldetechnik bei<br />

Siemens, soll den Sport inEngland<br />

kennengelernt und veranlasst haben,<br />

dass in Siemensstadt eine Anlage<br />

mit vier Feldernerrichtet wird.<br />

Nach dem ZweitenWeltkrieg nutzten<br />

andere Sportvereine die Halle,<br />

erst in den 70er-Jahren kehrten die<br />

Squashspieler dorthin zurück. Damals<br />

wurde der Rückschlagsport im<br />

Westen der Republik populär. Medienberichten<br />

zufolge sollen sich in den<br />

80er-Jahren fast drei Millionen Deutsche<br />

den Gummiball um die Ohren<br />

gedroschen haben, soll es fast 700<br />

Squash-Anlagen und 30 000 in Vereinen<br />

organisierte Spieler gegeben haben.<br />

Offizielle Zahlen zu jenen Jahren<br />

gibt es nicht. In den 2000er-Jahren<br />

kam Squash aus der Mode. (ost.)<br />

Mitglieder in Squash-Vereinen<br />

19 000<br />

18 020<br />

17 425<br />

17 000<br />

15 000<br />

13 000<br />

14 860<br />

13 825<br />

11 340<br />

11 000<br />

2002 ’07 ’11 2017<br />

BLZ/GALANTY<br />

Deutschland, heute<br />

Der Deutsche Squash-Verband<br />

sieht seinen Sport aktuell in einer<br />

Phase der Konsolidierung, die<br />

Zahl der Mitglieder nehme seit 2012<br />

nicht weiter ab, heißt es. Nach der<br />

aktuellsten Statistik (2017) gab es<br />

11 340 in Vereinen organisierte Spieler<br />

sowie schätzungsweise 1,5 Millionen<br />

Hobby-Spieler. Dass es vorrangig<br />

Männer sind, die sich für diesen<br />

Sportbegeistern, zeigt sich in der<br />

Liga-Struktur. Esgibt keine Damen-<br />

Bundesliga, nur Herren-Mannschaften<br />

messen sich in der obersten<br />

Klasse. Unter den 18 dort vertretenen<br />

Vereinen ist seit 2017 auch ein<br />

<strong>Berliner</strong>: der in Tegel ansässige Airport<br />

Squash e.V. Insgesamt gibt es<br />

ein Dutzend Vereine in der Region.<br />

In der Weltspitze spielen zwei<br />

Deutsche mit: Simon Rösner rangiertauf<br />

Platz 5derWeltrangliste,Raphael<br />

Kandraauf Platz 13. (ost.)<br />

Mehr Infos: dsqv.de und berlin.dsqv.de

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