30.06.2019 Aufrufe

Berliner Zeitung 29.06.2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 148 · 2 9./30. Juni 2019 – S eite 17<br />

·························································································································································································································································································<br />

Berlin<br />

AM WOCHENENDE<br />

Kühl im Glas:<br />

Die perfekte Lavendellimonade<br />

Schönes Wochenende Seite 19<br />

Sexy an der Stange:<br />

Wieman Poledance lernt<br />

Berlin bewegt sich Seite 20<br />

Caprese<br />

war gestern<br />

BERLINER ZEITUNG/ MARKUS WÄCHTER<br />

Seit Kolumbus 1492 Amerika<br />

entdeckte, profitieren wir<br />

von der kulinarischen Globalisierung.<br />

Viele Jahrhunderte<br />

lang reisten jedoch nur Rohprodukte<br />

und keine ganzen Gerichte<br />

über die Ländergrenzen. Noch in<br />

den 30er-Jahren fand sich selbst in<br />

Metropolen wie Paris, Berlin oder<br />

Madrid kein einziges italienisches<br />

Restaurant. Allein deshalb bin ich<br />

unendlich dankbar, inder heutigen<br />

Zeit leben zu dürfen.<br />

Das dachte ich erst kürzlich wieder,als<br />

ich eher zufällig im Sotto landete.<br />

Ich hatte dieses kleine italienische<br />

Restaurant beim Radfahren<br />

entdeckt, nahe dem<br />

Humboldthain in<br />

Wedding. Wegen seiner<br />

bunt zusammengewürfelten<br />

Einrichtung fällt das<br />

Sotto auf zwischen<br />

all den Spielhallen<br />

und Imbissbuden.<br />

Zuvor war hier das<br />

Messina, ein „Ristorante<br />

und Pizzeria“,<br />

das neben Gyros<br />

und Schnitzel auch<br />

Pizza und Pasta für<br />

2,99 Euro servierte.<br />

In solchen Angeboten liegt die<br />

ganze Tragik der italienischen Küche:<br />

Sie gehört zwar zu den Globalisierungsgewinnern;<br />

Pizza und Pasta<br />

haben es bis nach Usbekistan geschafft<br />

–mit dem Original hat das<br />

aber oft nichts mehr zu tun.<br />

In Berlin befinden wir uns heute<br />

auf einer fortgeschrittenen Globalisierungsstufe.<br />

Die ersten Würstel-<br />

Pizzen, mit denen die italienischen<br />

Gastarbeiter die Deutschen noch anwarben,<br />

sind Vergangenheit. Vorbei<br />

auch die 90er, indenen italienische<br />

Restaurants zwar stolz echtes Basilikum<br />

zum Caprese und ein Prosecco-<br />

Sorbet servierten, aber nicht ohne<br />

Säulen undWandmalerei auskamen.<br />

Langsam begreifen wir auch, dass es<br />

zwischen Osteria, Trattoria und Rosticceria<br />

Unterschiede gibt, genau<br />

wie zwischen sardischer,friaulischer<br />

und ligurischer Küche –womit auch<br />

geklärtwäre, ob man überhaupt von<br />

„der“ italienischen Küche sprechen<br />

kann. Antwort: nein.<br />

DasSotto geht noch einen Schritt<br />

weiter.Esführtuns neben selbst angesetzten<br />

Pizzen, auch an eine experimentelle<br />

italienische Küche heran,<br />

und zwar vegetarisch, teilweise sogar<br />

vegan. Im Team arbeiten ausschließlich<br />

Vegetarier, das Sotto wird von<br />

dem finnisch-italienischen Paar Bettina<br />

Hajanti und Mattia Mancini betrieben,<br />

der Küchenchef kommt aus<br />

Mailand und ist überzeugt davon,<br />

dass ökologisch denken bedeutet,<br />

das zu essen, was Saison hat und in<br />

AUFGETISCHT<br />

Tina Hüttl<br />

warimSotto.<br />

der Nähe wächst. Zu seinen Kreationen<br />

gehören hausgemachte Scialatielli<br />

–dicke, kurze Fettuccine–, die<br />

er mal mit Rotkohlpesto und gerösteten<br />

Mandelflocken serviert, mal<br />

mit einer leicht scharfen Spinat-<br />

Minz-Creme,Erbsen und Croûtons.<br />

Gesunde Ernährung und Geschmack<br />

sind im Sottosorgfältigaufeinander<br />

abgestimmt, schon mein<br />

veganes Carpaccio überzeugt: Kohlrabi,<br />

Rettich und Honigmelone sind<br />

in hauchdünne Scheiben geschichtet<br />

und verschiedenen mariniert:<br />

Der Rettich ist mit Miso fermentiert<br />

und hat ein salziges Umami, der<br />

Kohlrabi ist schön knackig und säuerlich,<br />

nur die Honigmelone<br />

hätte etwas<br />

süßer sein können.<br />

Die Kontraste<br />

werden von einer<br />

B96<br />

Pankstr.<br />

Chausseestr<br />

Gerichtstr.<br />

cremigen veganen<br />

Petersilienmayo zusammengehalten,<br />

ein Senfsand sorgt<br />

für etwas Prickeln.<br />

Nurdas Tempeh, das<br />

aus gekochten Sojabohnen<br />

und Pilzen<br />

hergestellt ist und<br />

als Fleischersatz<br />

dient, brauche ich persönlich nicht.<br />

Sehr gut ist dagegen das knusprige<br />

Pizzabrot, gereicht mit Öl und<br />

Oregano, ein Vorgeschmack auf die<br />

Pizzen. Das Sotto lässt seinen Teig<br />

mindestensdreiTagegehen, da kaltfermentierter<br />

Teig bekömmlicher ist.<br />

Bei der Pizza Porkkala mit geräucherter<br />

Karotte und Ricotta meint<br />

man fast, ein Schinkenaroma herauszuschmecken.<br />

Weniger kräftig<br />

ist die knusprige Maestro, die mit einem<br />

ausgesprochen guten Büffelmozzarella<br />

und Parmesan auf einem<br />

sehr aromatischen Tomatensugo belegt<br />

ist. Natürlich importiert das<br />

Sotto einige Produkte aus Italien –<br />

kulinarische Globalisierung im besten<br />

Sinne.<br />

Neue Hochstraße 25, Wedding, Di–Fr 12–22<br />

Uhr, Sa–So13.30–22 Uhr<br />

Antipasti kosten 3,80–8 Euro,Pasta, Pizzen,<br />

Primi und SecondiPiatti 5,50–11 Euro,Dolce<br />

3–3,50 Euro<br />

Humboldthain<br />

Neue Hochstr.<br />

Sotto<br />

Reinickendorfer Str.<br />

50 km<br />

BLZ/GALANTY<br />

Ein Hoch auf die Globalisierung!<br />

Zumindest wenn es ums Essen geht. Denn<br />

wie sonst kämen wir in den Genuss so<br />

toller italienischer Küche wie der im Sotto<br />

Familienausflug<br />

Mit den Händen<br />

wandern<br />

VonBarbaraWeitzel<br />

Der Geist ist wie ein Fallschirm,<br />

er kann nur funktionieren,<br />

wenn er offen ist.“ Wasder Architekt<br />

Walter Gropius über den Geist sagt,<br />

gilt auch für die Sinne. Ohne offenen<br />

Blick für das Unauffällige oder<br />

zunächst Sonderbare bleibt viel<br />

Schönheit unentdeckt. Und auch<br />

den Tastsinn kann man weiten und<br />

schulen.<br />

Gropius’ Bauhaus-Kollege Lászlo<br />

Moholy-Nagy, vor allem bekannt als<br />

Maler, Gestalter und Fotograf,<br />

Hier wird ein Tastbild gebastelt.<br />

BAUHAUS-AGENTEN/DORO PETERSEN<br />

wusste, dass nicht allein das Auge<br />

sieht, dass mit dem Geist alle Sinne<br />

offen sein müssen. Ganz praktisch<br />

gesehen, denn das Romantisch-Spirituelle<br />

war seine Sache nicht. Für<br />

ihn war der Künstler immer auch Ingenieur.<br />

Zusammen mit seinen Studenten<br />

entwickelte er am Bauhaus<br />

in Weimar sogenannte Tasttafeln.<br />

Wie auf einem Barfußpfad, auf dem<br />

die Füße die Eigenschaften verschiedener<br />

Oberflächen ertasten, können<br />

auf diesen Flächen aus verschiedenen<br />

Materialien wie zum Beispiel<br />

Folie, Papier und Bastschnüren die<br />

Hände wandern.<br />

In der temporären Bauhaus-<br />

Werkstatt können an diesem Sonnabend<br />

schon die Jüngsten Studenten<br />

sein und unter fachkundiger Anleitung<br />

solche Tafeln herstellen. Mitoffenem<br />

Geist und allen Sinnen.<br />

bauhaus_werkstatt drop-in TemporaryBauhaus<br />

Archiv,Knesebeckstr.1–2, Charlottenburg.Sa<br />

11–14 Uhr,Eintritt frei.Ab6Jahre

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!