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Berliner Zeitung 29.06.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 148 · 2 9./30. Juni 2019 19<br />

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Schönes Wochenende<br />

STADT, LAND, MENSCH<br />

Die Diva<br />

vom stillen<br />

Örtchen<br />

KOCHSTUNDE<br />

Rezept der Woche<br />

Lavendellimonade<br />

Tomasz Reichelt ist<br />

Damen-Imitator.<br />

Als Polin Ewelina Flaszka<br />

kümmert er sich seit<br />

zwei Jahren um die<br />

Toiletten im Varieté<br />

Wintergarten –an<br />

diesem Wochenende<br />

zum letzten Mal<br />

VonFlorian Thalmann<br />

Inder Potsdamer Straße in Mitte<br />

befindet sich die speziellste Toilette<br />

der Stadt –und zwar im<br />

Keller des Wintergarten-Varietés.<br />

Eine breite Treppe führt indie<br />

kunstvoll geschmückten Räume, designt<br />

von Fiona Bennett und Hans-<br />

Joachim Böhme, versehen mit dem<br />

Namen „The First Flush“. Wersie besichtigen<br />

oder anderweitig nutzen<br />

will, die Toilettenräume, muss erst<br />

einmal an ihr vorbei: Ewelina Flaszka.<br />

Eine polnische Klofrau, die elegante<br />

Kleider trägt, deren Haare rot strahlen,<br />

die auch mal Champagner ausschenkt<br />

–und Führungen durch die<br />

Räume anbietet. „Oft wollen die Damen<br />

mal das Männerklo anschauen<br />

und umgekehrt“, sagt sie.„Sietrauen<br />

sich aber nicht allein, dann kündige<br />

ich das kurzanund komme mit.“<br />

Waswäre eine so kunstvolle Toilette<br />

ohne eine äußerst kunstvolle<br />

Toilettenfrau? Die Kunst steckt hier<br />

hinter der Fassade: Ewelina ist keine<br />

Frau, im schillernden Kostüm steckt<br />

ein Mann. Tomasz Reichelt, 56, ist als<br />

Damen-Imitator seit Jahren auf Bühnen<br />

weltweit unterwegs, eigentlich<br />

als „Diva Tomasz“ – doch für den<br />

Wintergarten erfand er die Kunstfigur<br />

Ewelina. „Die meisten Toiletten<br />

sind nur funktional. Hier sind die<br />

Klos eine eigene Welt“, sagt er.<br />

Die Leidenschaft für Travestie<br />

entdeckte er als Kind. Schon mit fünf<br />

kostümierte er sich gern. „Ich war<br />

mal Cowboy, mal Prinz.“ Einmal,<br />

zum Fasching, hat er sich als Rotkäppchen<br />

verkleidet. „Meine Mutter<br />

brachte meinen Bruder und mich<br />

zur Schule. Auf dem Wegtrafen wir<br />

eine Arbeitskollegin. Siesah mich an<br />

und sagte zu Mama: Mensch, du hast<br />

ja eine Tochter –ich dachte bisher,<br />

du hast zwei Söhne.“ Reichelt wurde<br />

klar, wie leicht es sein kann, mit einem<br />

Kostüm eine Illusion zu erzeugen.<br />

„Ich trug als Kind dann lieber<br />

Röcke als Hosen, wenn ich mich verkleidete.<br />

Meine Mutter schimpfte,<br />

Rote Haare, elegantes Kostüm: WerimWintergarten zur Toilette will, muss an Ewelina Flaszka vorbei.<br />

Die Diva in Zivil: Tomasz Reichelt in seinem <strong>Berliner</strong> Kiez.<br />

wenn ich ihre High Heels ruinierte,<br />

weil ich mit den Füßen kein Gleichgewicht<br />

fand.“ Erst später fand er für<br />

die Frau, die in ihm schlummerte,<br />

auf der Bühne eine Nische. Erarbeitete<br />

im Travestie-Theater, imitierte<br />

Liza Minnelli und Marilyn Monroe.<br />

Er trat als einer der ersten männlichen<br />

Bauchtänzer auf. Außerdem<br />

ging er zur Fachoberschule für Gestaltung,<br />

beschäftigte sich mit Fotografie.<br />

Die Liebe führte ihn von Kassel<br />

nach Berlin, doch die Beziehung<br />

hielt nicht lange.„Ichwar hier,allein,<br />

ohne Job, ohne alles.“<br />

Er besann sich auf das Varieté,<br />

langsam erblickte seine Kunstfigur,<br />

die Diva, das Licht der Welt. Sie<br />

führte ihn auch auf weit entfernte<br />

Bühnen. Einer der Höhepunkte sei-<br />

THOMAS UHLEMANN<br />

THOMAS UHLEMANN<br />

ner Karriere: Tomasz trat als Tänzer<br />

in der britischen Show „The Royal<br />

Variety Performance“ auf, Queen Elizabeth<br />

nannte ihn einen „fantastischer<br />

Tänzer“.„Darauf bin ich stolz“,<br />

sagt er.<br />

Seit zwei Jahren gibt er nun die<br />

Empfangsdame in der Wintergarten-<br />

Toilette –eine klassische Klofrau war<br />

er aber nie.„Natürlich achte ich darauf,<br />

dass die Räume nicht unordentlich<br />

aussehen“, sagt er.„Aber für das<br />

Putzen gibt es eine Reinigungskolonne.“<br />

AmWochenende empfängt er<br />

die Besucher zum letzten Mal, bei der<br />

Derniereder Show„Let’s Twist Again“.<br />

Es ist das Ende der Ewelina-Ära. „Der<br />

Job hat mir Spaß gemacht, aber ich<br />

bin froh, dass ich nun wieder Zeit für<br />

andere Projekte habe.“ Erst kürzlich<br />

spielte Tomasz Reichelt in einem Musikvideo<br />

vonNiels Frevert mit, gestaltete<br />

ein Zimmer für das Designhotel<br />

Berlin, Berlin –und neue Showswerden<br />

folgen. Nur die Frage nach der<br />

Nachfolge auf der Edel-Toilette ist ungeklärt.<br />

Spätestens bei der Premiere<br />

der „Woodstock Variety Show“am15.<br />

August werden die Wintergarten-<br />

Gäste erfahren, weresist.<br />

Oft empfehlen wir Ihnen an dieser Stelle ja Kochbücher<br />

aus wärmeren Ländern, weil es kaum einen einfacheren<br />

und sinnlicheren Weg gibt, die Ferne indie eigene Küche<br />

zu holen, denn –falls Sie esschon vergessen haben<br />

sollten –die Hälfte des Jahres ist es in Berlin ja eher trostlos,<br />

grau und kalt. Dass wir Ihnen diese Woche unbedingt<br />

Erin Gleesons Reise durch den Mittelmeerraum vorstellen<br />

müssen, hat aber offensichtlich weniger mit kulinarischer<br />

Alltagsflucht zu tun: BeiTemperaturen, die beharrlich<br />

über 25 Grad liegen, passen Rezepte wie diese Lavendellimonade<br />

einfach perfekt. Gleesons „Ein Fest im Süden“<br />

(Knesebeck, 30 Euro) ist voll von Ideen für die nächste<br />

Sommernacht auf dem Balkon, den nächsten Grillabend<br />

im Park, von geschmolzenen Kirschtomaten auf geröstetem<br />

Brot bis hin zu Risotto mit grünem Spargel. Berlin ist<br />

zwar nicht Barcelona –wenn jetzt jeder Sommer so wird<br />

wie dieser,wachsen hier jedoch auch bald Orangenbäume.<br />

Mit diesem –übrigens zauberhaft illustrierten –Kochbuch<br />

sind Sie dann bestens vorbereitet. (alm.)<br />

Zutaten<br />

2Teebeutel mit Lavendelblüten<br />

480 ml heißes Wasser<br />

3ELAgavendicksaft oder Honig<br />

480 ml kaltes Wasser<br />

Saft von4Zitronen (etwa 120 ml)<br />

Essbarer Lavendel zum Garnieren<br />

Eis<br />

Zubereitung<br />

In einem Krug 2Teebeutel mit Lavendelblüten 5Minuten in<br />

480 ml heißem Wasser ziehen lassen. Die Teebeutel herausnehmen<br />

und 3ELAgavendicksaft oder Honig einrühren. 480<br />

ml kaltes Wasser und den Saft von4Zitronen (etwa 120 ml)<br />

hinzufügen und gut umrühren. Die Limonade abkühlen lassen,<br />

gegebenenfalls noch etwas nachsüßen und mit Zitronenscheiben<br />

und essbarem Lavendel garniertauf Eisservieren.<br />

ERIN GLEESON/KNESEBECK VERLAG<br />

gas, esist sein erster großer Auftrag.<br />

Den jugendlichen Schiller stellt er<br />

TIPPS<br />

auf einen Marmorsockel, ihm zu Füßen<br />

sitzen vier Musen, eine schöner<br />

als die andere, die Lyrik, die Philosophie,<br />

die Tragödie und die Geschichte.Einweihung<br />

Französische Friedrichstadtkirche Gendarmenmarkt<br />

ist 1871.<br />

Im 20. Jahrhundert legen sich<br />

über den Platz die dunklen Schatten<br />

deutscher Geschichte. Der Gendarmenmarkt<br />

5, Mitte. Sa und So 12–17<br />

Uhr.Eintritt frei. Konzertmit Werken von<br />

MozartamSonntag um 16 Uhr,Eintritt<br />

frei.<br />

verliert seinen Namen<br />

und wird in der Nazizeit militärischer<br />

Aufmarschplatz. Das Schiller-<br />

Denkmal wird abgeräumt. Im Zweiten<br />

Weltkrieg wird der Platz schwer<br />

Französischer Dom Gendarmenmarkt 5.<br />

Mitte. Der Turm wird saniertund ist<br />

ebenso geschlossen wie das Hugenottenmuseum.<br />

beschädigt und mit ihm das Schauspielhaus.<br />

Erst nach der Wende erhält der<br />

Platz seinen alten Namen zurück.<br />

Das Schauspielhaus ist 1984 in der<br />

DDR hervorragend restauriert worden<br />

und dient heute als eines der<br />

schönsten deutschen Konzerthäuser.<br />

Deutscher Dom Gendarmenmarkt 2,<br />

Mitte. Dauerausstellung „Wege–Irrwege<br />

–Umwege“ über die Entwicklung des parlamentarischen<br />

Systems in Deutschland,<br />

Sa und So 10–19 Uhr,Eintritt frei. Zwischen<br />

11 und 17 Uhr finden alle 30 Minuten<br />

kostenlose Führungen statt.<br />

Das Schiller-Denkmal steht seit<br />

1988 wieder an seinem Platz. Das Schiller-Denkmal steht seit 1988 wieder auf dem Gendarmenmarkt. Eine Schinkelleuchte setzt den Platz vor dem Konzerthaus in warmes Licht.

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