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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 148 · 2 9./30. Juni 2019<br />
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Schönes Wochenende<br />
WEINKUNDE<br />
FUNDSTÜCKE<br />
VonKirsten Herrmann<br />
Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />
Bitte schreiben Sie uns an: berlin.fundstuecke@dumont.de<br />
VonRomana Echensperger<br />
IMAGO IMAGES/MÜLLER-STAUFFENBERG<br />
IMAGO IMAGES/PEMAX<br />
Salz<br />
und Rauch<br />
Mallorca kennt man als großen Weinlieferanten –aber Teneriffa?<br />
Ichhabe mir kürzlich ein Glas empfehlen lassen.<br />
Weine aus Teneriffa sind derzeit die Lieblinge der Sommeliers,<br />
mir sind sie schon in Restaurants rund um den Globus aufgefallen.<br />
Dieschroffe Vulkaninsel im Atlantik ist ein ganz besonderer<br />
Ortfür denWeinanbau. In ihrer Mitte steht der Teide,der<br />
höchste Berg Spaniens,deshalb gibt es auf Teneriffa zwei Klimazonen:<br />
Im Norden regnet es viel, und es ist so saftig grün<br />
wie auf der Blumeninsel Madeira. DerSüden wiederum liegt<br />
im Regenschatten des Teide und ist sehr trocken.<br />
Diemeisten Weingüter findet man im Norden. Hier dürfen<br />
sich die Wurzeln der autochthonen Reben in das Vulkangestein<br />
graben. Besonders ist dabei nicht nur die Sortenvielfalt,<br />
sondernauch, dass es viele wurzelechte Reben gibt. Es gibt<br />
hier kaum Probleme mit der Reblaus,und die Reben müssen<br />
nicht auf eine schädlingsresistente Unterlage gepfropft werden.<br />
Wurzelechte Reben haben also kein Narbengewebe im<br />
Stock und können somit sehr alt werden. Rebanlagen, die über<br />
80 Jahrealt sind, sind auf Teneriffa keine Seltenheit. Alte Reben<br />
setzen deutlich weniger Trauben an, was für eine unvergleichliche<br />
natürliche Konzentration in den Weinen sorgt.<br />
DieReben für den Trenzado zum Beispiel sind bis zu 100<br />
Jahrealt. Trenzado heißt auf Deutsch Zopf, ein Hinweis darauf,<br />
wie die Reben hier erzogen werden: DieTriebe werden um einen<br />
Holzbalken herum geflochten und nicht, wie in Deutschland<br />
üblich, an einem Drahtrahmen befestigt. DerWinzer<br />
muss die Triebe also im Sommer nicht einkürzen, was die Reben<br />
immer besonders stresst.<br />
DasWeingut Suertes del Marquésist eine kleine Finca, malerisch<br />
gelegen oberhalb der Weinberge.Der Winzer Francisco<br />
Javier García Núñezpflegt die alten Sorten nach biodynamischen<br />
Grundsätzen und verarbeitet die Trauben behutsam<br />
und ohne viel Eingriffe im Keller.Ich kann eigentlich alle seine<br />
Weine empfehlen. ZumEinstieg aber eignet sich besonders<br />
der Trenzado aus der Rebsorte Listán Blanco.<br />
DerWein braucht Zeit im Glas.AmAnfang dominieren Noten<br />
vonStreichholzabrieb und Popcorn. Mitein wenig Geduld<br />
aber entfaltet sich ein PotpourrianAromen: Noten vonAprikosen,<br />
Zitrusfrüchten, dazu eine kühle Exotik, dieanGuaven<br />
und Melonen erinnert, außerdem Hibiskus,aber auch dezente<br />
getoastete Aromen. García Núñezbaut den Wein nämlich gekonnt<br />
im Holzfass aus.AmGaumen spürtman eine gute Mischung<br />
aus Schmelz und Körnigkeit, aber auch Salz und Rauch<br />
–ein besonderer,sehr authentischer Wein, den man aufmerksam<br />
genießen sollte.<br />
2017Trenzado Suertes del Marqués, Teneriffa. Zu kaufenfür 17,95Euro<br />
beivinatero.de<br />
Straßenfest<br />
Der Klassiker,<br />
leicht abgewandelt<br />
Erst drohte es auszufallen. Doch nun kann das legendäre<br />
Bergmannstraßenfest mit dem Untertitel „Kreuzberg<br />
jazzt!“ doch stattfinden und feiert andiesem Wochenende<br />
auch noch sein 25-jähriges Jubiläum. Allerdings gibt es da eine<br />
kleine Neuerung. Statt in der namensgebenden Bergmannstraße<br />
ist das Fest aufgrund der umstrittenen Begegnungszonen<br />
ein Stück weiter in die verlängernde Kreuzbergstraße umgezogen.<br />
Sonst aber bleibt alles beim Alten. Auf vier Bühnen<br />
können Besucher das Programm der etwa 50 Bands vonFunk<br />
bis zu lateinamerikanischer Musik und Theater zum Beispiel<br />
der Improvisationstruppe DieGorillas oder Auftritte verschiedener<br />
Komiker erleben. Und auch in diesem Jahr bieten wieder<br />
zahlreiche Gastronomiebetriebe Speisen und Getränke an.<br />
So muss keiner der Besucher am Abend hungrig oder gelangweilt<br />
nach Hause gehen.<br />
Bergmannstraßenfest Kreuzbergstraße,Kreuzberg.Sonnabend und Sonntag<br />
11–22 Uhr,Eintritt frei<br />
Filmfestival<br />
Die Stadt, die<br />
niemals schläft<br />
New York ist eine Stadt, die Träume weckt. Etliche Geschichten<br />
haben ihren Ursprung im BigApple.KeinWunder<br />
also, dass einige der großen Perlen der Filmgeschichte in<br />
der Metropole entstanden sind. Genau diesen Filmen widmet<br />
sich das NewYork–NewYork Filmfestival im Babylon Berlin. In<br />
80 Filmen huldigt das Fest dem magischen Ort. DasRepertoire<br />
reicht von Klassikern wie Woody Allens „Manhattan“, „Breakfast<br />
at Tiffany’s“ mit Audrey Hepburnoder Scorseses „Taxi Driver“<br />
über die„Ghostbusters“ und LucBessons„Leon der Profi“<br />
bis hin zu neueren Werken wie „The Wolf of Wallstreet“ oder<br />
Alejandro Gonzalez Inarritus’ „Birdman“. Und obwohl das<br />
Festival offiziell am Sonntag endet, können Sieviele der Filme,<br />
die in Originalfassung oder als Original mit Untertiteln gezeigt<br />
werden, noch bis in die kommende Woche hinein sehen.<br />
NewYork–New York Filmfestival BabylonBerlin, Rosa-Luxemburg-Straße<br />
30, Mitte. Filme laufen noch bis in dienächste Woche hinein, Tickets 9Euro<br />
IMAGO IMAGES/WESTEND<br />
Führungen<br />
Blick hinter<br />
die Fassaden<br />
Unter dem Motto „Räume prägen“ findet am Wochenende<br />
der alljährliche Tagder Architektur statt –auch in Berlin.<br />
DerName trügt ein bisschen, denn tatsächlich handelt es sich<br />
beim Tagder Architektur gleich um zwei Tage.AmSonnabend<br />
und Sonntag öffnen viele <strong>Berliner</strong> Architekturbüros und beeindruckende<br />
Bauten ihre Türenund Tore fürFührungen und<br />
Diskussionen. Interessierte können sich dabei in neuen Gebäuden<br />
umsehen, wie zum Beispiel in der Ernst-Busch-Hochschule<br />
für Schauspiel, können die Laube im Prinzessinnengarten<br />
erkunden oder das Gebäudeensemble „The Garden“ an<br />
der Chausseestraße kennenlernen. Oder sie nehmen an Führungen<br />
durch historische Bauten wie das Stadtkloster Segen,<br />
dessen Turm saniert wurde, oder das Schloss Cecilienhof in<br />
Potsdam teil. Das Programm ist fast ärgerlich vielfältig, doch<br />
viele der Führungen werden an beiden Tagen angeboten.<br />
Tagder Architektur in Berlin undUmland Sonnabendund Sonntag, Eintritt<br />
frei,Programmunter tag-der-architektur.de/programm<br />
Kanada-Fest<br />
Fast<br />
Eishockey<br />
Einmal im Jahr ist es so weit: In Berlin wird der Canada Day<br />
gefeiert. Am Sonntag dreht sich auf dem Gelände der Kulturbrauerei<br />
deswegen alles um das nordamerikanische Land.<br />
Besucher können sich dortvon kanadischen Bands und Komikernunterhalten<br />
lassen oder an den zahlreichen Ständen über<br />
das Land informieren, mit Glück können sie bei der Auslosung<br />
am Abend auch eine Reise nach Toronto gewinnen. Aber was<br />
wäre das Kanada ohne Eishockey. Daesdafür leider ein bisschen<br />
zu warm ist, wird zum Ball-Hockey-Turnier geladen und<br />
Besucher können sich beim Torwandschießen ausprobieren,<br />
dem Maskottchen und vielleicht sogar einem Spieler der <strong>Berliner</strong><br />
Eisbären die Pranke schütteln. Ab 19.30 Uhr wird imKino<br />
der Kulturbrauerei außerdem der Film „Weirdos“ gezeigt, und<br />
auch auf die Buchmesse 2020 gibt es einenVorgeschmack.<br />
Canada DayBerlin Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg,Sonntag<br />
12–22 Uhr, Eintritt frei<br />
IMAGO IMAGES/PIXSELLS<br />
WOHIN AM WOCHENENDE?<br />
Der schönste<br />
Platz von<br />
Berlin<br />
Ein Spaziergang voller<br />
Geschichte<br />
über den<br />
Gendarmenmarkt<br />
VonIda Luise Krenzlin<br />
Deutscher und Französicher Dom rahmen das Schauspielhaus ein. IMAGO IMAGES (3)<br />
InBerlins Mitte gibt es viele Plätze.<br />
Doch so richtig schön ist vorallem<br />
einer: Der Gendarmenmarkt, 48 000<br />
Quadratmeter groß, und sein hochklassizistisches<br />
Bauensemble – der<br />
Französische und der Deutsche<br />
Dom sowie mittig das ehemalige Königliche<br />
Schauspielhaus (heute Konzerthaus)<br />
–können sich mit Plätzen<br />
in Wien, Parisund London messen.<br />
Wie ist der Platz entstanden?<br />
Nach dem Dreißigjährigen Krieg<br />
steigt in Berlin die Bevölkerung<br />
sprunghaft an von sechs- auf zwanzigtausend<br />
Einwohner. Dringend<br />
muss Wohnraum her. Der wirtschaftliche<br />
Aufschwung in dieser<br />
Zeit fällt zusammen mit dem Einzug<br />
der französischen Glaubensflüchtlinge.<br />
Der Große Kurfürst hat den<br />
Réfugiés mit dem Edikt vonPotsdam<br />
(1685) eine neue geistige Heimat zugesagt.<br />
Reißbrettartig entsteht 1688<br />
ein Stadtteil, die Friedrichstadt mit<br />
ihrem zunächst Hauptmarkt genannten<br />
Platz. Friedrich I., seit 1701<br />
preußischer König, lässt dort für die<br />
Hugenotten den Französischen<br />
Dom im Norden und spiegelgleich<br />
im Süden den Deutschen Dom für<br />
die lutherische Gemeinde errichten.<br />
Undinder Mitte das Komödienhaus.<br />
Auf den freien Flächen lässt sich<br />
das königliche Kürassierregiment,<br />
die schwere Kavallerie Preußens,<br />
nieder. Der Platz heißt nun Gendarmenmarkt.<br />
Manöver und das wilde<br />
Marktgeschehen verunstalten den<br />
Platz zunehmend. König Friedrich II.<br />
lässt die Pferdestallungen ab 1780<br />
abreißen und die flach gedeckten<br />
Barockkirchen mit 70 Meter hohen<br />
Türmen ausstatten, sodass sie den<br />
Platz angemessen schmücken. Im<br />
Französischen Dom wird ein Glockenspiel<br />
installiert.<br />
Als das alte Komödienhaus abbrennt,<br />
erhält Karl Friedrich Schinkel<br />
den Auftrag für ein neues Schauspielhaus,<br />
das wegen der Freiheitskriege<br />
erst von 1819 bis 1821 errichtet<br />
werden kann. Üppig ist der<br />
Figurenschmuck außen am Bau,<br />
Schinkel hat auch ihn entworfen.<br />
Ausgeführt werden die Originale von<br />
den damals besten Bildhauern Berlins,<br />
Christian Daniel Rauch und<br />
Friedrich Tieck. Über der Hauptfront<br />
ist Apoll, der Gott der Künste,auf einem<br />
Gespann zu sehen, das von<br />
zwei Greifen gezogen wird. DieWestfront<br />
zur Charlottenstraße überragt<br />
Pegasus,das geflügelte Pferd.<br />
Ein Denkmal für Friedrich Schiller<br />
(1759–1805) steht direkt vor der<br />
Freitreppe zum heutigen Konzerthaus.Nochzum<br />
100. Geburtstag von<br />
Schiller im Jahr 1859 haben die <strong>Berliner</strong><br />
Behörden einen geplanten Straßenumzug<br />
untersagt –aus Angst vor<br />
Unruhen. Zehntausende Taler werdenfür<br />
einDenkmal für den Dichter<br />
bereitgestellt. Aber erst 1861 wirdein<br />
Wettbewerb ausgeschrieben. Den<br />
gewinnt der Bildhauer Reinhold Be-