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Berliner Zeitung 29.06.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 148 · 2 9./30. Juni 2019 B7<br />

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Karriere<br />

Darf der<br />

Chef<br />

das?<br />

Im Arbeitsrecht gibt es<br />

einige Kuriositäten<br />

Das Arbeitsrecht regelt alle denkbaren<br />

Beziehungen zwischen<br />

Arbeitgeber und Mitarbeiter.Wie kurios<br />

das sein kann, zeigen die Experten<br />

der Arag anhand einiger Urteile:<br />

Abmahnung wegen einer schwachen<br />

Blase: Grundsätzlich gehört<br />

der Gang zur Toilette zur Arbeitszeit.<br />

Problematisch kann der Gang aufs<br />

Klo nur dann werden, wenn er zu<br />

häufig geschieht und der Chef den<br />

Eindruck bekommt, der Arbeitnehmer<br />

will sich vorder Arbeit drücken.<br />

DerGangzur Toilette darfauch nicht<br />

unnötig in die Länge gezogen werden.<br />

Wenn der Mitarbeiter zum Beispiel<br />

auf der Toilette mit seinem<br />

Smartphone Nachrichten liest oder<br />

ein Nickerchen macht, kann das als<br />

Arbeitsverweigerung angesehen<br />

werden. Kann der Arbeitgeber eine<br />

Arbeitsverweigerung beweisen, darf<br />

er den Mitarbeiter abmahnen. Den<br />

Lohn darferallerdings nicht kürzen.<br />

(ArbG Köln, AZ.: 6Ca3846/09).<br />

Duzen und Grüßen: Ein distanziertes,<br />

höfliches „Sie“ kann helfen, den<br />

guten Tonzuwahren. Doch in manchen<br />

Firmen ist das„Du“ Teil der Unternehmensphilosophie<br />

und sogar<br />

angeordnet. Doch die Experten weisen<br />

darauf hin, dass kein Arbeitnehmer<br />

gezwungen werden kann, den<br />

Chef zu duzen. Allerdings sollte man<br />

seinen Protest unbedingt sofort einlegen.<br />

Ansonsten gilt der Verhaltenskodex<br />

als verinnerlicht und ist<br />

Teil des Arbeitsvertrages geworden<br />

(LAG Hamm, Az.: 14 Sa 1145/98).<br />

Übrigens: Wer seinen Chef in der<br />

Freizeit trifft, ist nicht gezwungen,<br />

ihn zu grüßen. (LAG Köln, Az.: 9(7)<br />

Sa 657/05).<br />

Unterwäsche: Wasich drunter trage,<br />

geht meinen Chef nichts an, könnte<br />

man denken. Doch so schräg es<br />

klingt –wenn Mitarbeiter in weißen<br />

Oberteilen arbeiten und die Unterwäsche<br />

nicht durchscheinen soll,<br />

hat der Arbeitgeber zumindest in<br />

puncto Farbe der Unterwäsche ein<br />

Wörtchen mitzureden. So ist es beispielsweise<br />

manchen Flughafenmitarbeiternverboten,<br />

bunte Shirts und<br />

BHsunter der weißen Dienstoberbekleidung<br />

zu tragen (Landesarbeitsgericht<br />

Köln, Az.: 3TaBV 15/10). Die<br />

Experten weisen darauf hin, dass<br />

auch im Bereich der Arbeitssicherheit<br />

bestimmte Kleidung vorgeschrieben<br />

werden kann. (blz)<br />

Immer im Dienst, immer erreichbar –das wird vom Chef erstmal gern gesehen, aber meist halten Beschäftigte das nicht lange durch.<br />

Rendezvous mit sich selbst<br />

Richtig abschalten ist im Urlaub genauso wichtig wie nach Feierabend –und heute gar nicht mehr so leicht<br />

Von Inga Dreyer<br />

Elterngespräche, Korrekturen,<br />

Unterrichtsvorbereitung:<br />

Für Lehrer ist der Arbeitstag<br />

nicht vorbei, wenn<br />

es geklingelt hat. Während der Vormittage<br />

sei oft wenig Zeit, sich mit<br />

Kollegen abzusprechen, erzählt Kathrin<br />

Nowak, die als Biologie- und<br />

Chemielehrerin an einem <strong>Berliner</strong><br />

Gymnasium arbeitet. Oft trudeln<br />

dann spätabends Nachrichten oder<br />

morgens zwischen 5.00 und 6.00 Uhr<br />

E-Mails ein. „Es ist schon ein Trend,<br />

dass man darauf schnell reagieren<br />

muss“, sagtdie 35-Jährige.<br />

Nein sagen lernen<br />

Ob beim Abendessen, beim Spielen<br />

mit den Kindern, beim Grillabend<br />

oder im Urlaub: Istdas Handy in der<br />

Nähe, ist auch die Arbeit nicht weit.<br />

Beruf und Freizeit zu trennen, geht<br />

das überhaupt noch? „Theoretisch<br />

ja, praktisch nein. Denn der Übergang<br />

ist immer fließender geworden“,<br />

sagt Prof. Lothar Seiwert, Autor<br />

und Vortragsredner zum Thema<br />

Zeitmanagement.<br />

Sielese morgens vorder Arbeit keine<br />

Mails,erzählt Kathrin Nowak. Für<br />

Lothar Seiwert eine gute Strategie,<br />

die Disziplin erfordert, denn Neugier<br />

sei menschlich. „Wenn ich einmal<br />

anfange, morgens reinzugucken,<br />

komme ich davon nicht weg.“<br />

Sein Rezept klingt simpel: Lernen,<br />

sich abzugrenzen. „Viele Menschen<br />

haben einen Sprachfehler. Sie<br />

können oder wollen nicht Nein sagen.“<br />

Er rät, Geräte zum Feierabend<br />

oder in Auszeiten einfach abzuschalten.<br />

„Ich muss es einfach nur tun.“<br />

Zum Nein-Sagen-Lernen gehört<br />

auch, einzusehen, dass man ersetzbar<br />

ist: „Sie sind nicht die Notaufnahme<br />

des örtlichen Unfallkrankenhauses.“<br />

Dass es sich trotzdem so<br />

anfühlt, hat unter anderem strukturelle<br />

Gründe, sagt Robert Kötter,<br />

Gründer der Beratungsagentur Work<br />

Life Romance in Köln. Viele Firmen<br />

hätten eine lange Zeit des Sparens,<br />

der Reduzierung von Personal und<br />

der Effizienzsteigerung hinter sich.<br />

Dasmache sich bemerkbar.<br />

Wenn irgendwo ein Rädchen im<br />

Getriebe still steht, gerate das System<br />

ins Wanken. Neben der engen<br />

Taktung des Arbeitsalltags sei ein<br />

weiteres Phänomen zu beobachten,<br />

sagt Kötter: Menschen sei es heute<br />

wichtiger, Dinge zu tun, die ihnen<br />

Spaß machen, statt Dienst nach Vorschrift.<br />

Dadurch entstehe ein hohes<br />

Maß anIdentifikation, das Abschalten<br />

und Abgrenzen schwerer macht.<br />

Verstärkt werde das durch ein Idealbild<br />

vonAngestellten, die für die Firma<br />

leben. „Ein guter Mitarbeiter ist<br />

aber nicht der, der 120 Prozent gibt<br />

und dann mit 50 im Burnout ist“,<br />

sagt der Coach und Buchautor. Auf<br />

sich zu achten und abschalten zu<br />

können, seien wichtige Fähigkeiten.<br />

„Es macht etwas mit den Menschen,<br />

wenn vomChef am Sonntagmittag<br />

eine Mail kommt“, ergänzt<br />

Lothar Seiwert. Er erzählt, dass Führungskräfte<br />

bei einem Dax-Konzern,<br />

den er berät, daher am Wochenende<br />

keine E-Mails mehr an Mitarbeiter<br />

schicken dürfen. Sie müssen sie im<br />

Entwurfsmodus speichern und dürfen<br />

sie erst am Montagmorgen senden.<br />

Auch Führungskräfte können<br />

als Vorbilder also zu einer gesunden<br />

Work-Life-Balance im Unternehmen<br />

beitragen.<br />

Wiewichtig Auszeiten sind, lernen<br />

viele Menschen erst, wenn sie<br />

leiden, sagt Robert Kötter. Den Ansatz<br />

der Work-Life-Balance, der Balance<br />

zwischen Arbeit und Leben,<br />

halten er und sein Mitgründer aber<br />

nicht für den passenden Begriff. Das<br />

klinge, als würde man in seiner Arbeitszeit<br />

nicht leben. „Ich definiere<br />

mich als Mensch aber auch über die<br />

Arbeit.“ Nicht umsonst heißt sein<br />

GETTYIMAGES/WESTEND61<br />

Start-up Work Life Romance. Eine<br />

romantische Beziehung zwischen<br />

Beruf und Freizeit? Klingt kompliziert.<br />

Für die beiden Gründer ist es<br />

selbst nicht immer einfach. Doch sie<br />

versuchen ihren Ansatz, dass der<br />

Mensch im Mittelpunkt steht, vorzuleben<br />

und nehmen Auszeiten ernst.<br />

Feste Termine für die Freizeit<br />

Kathrin Nowak sieht Berufund Freizeit<br />

nicht als komplett getrennte<br />

Welten. Es ist ihr wichtig, sich für die<br />

Schule zu engagieren und persönlichen<br />

Kontakt zu Kollegen wie Schülernzuhaben.<br />

Schwierig sei manchmal,<br />

dass es die digitalen Möglichkeiten<br />

erlauben, den Beruf überall<br />

hin mitzunehmen. Deswegen falle<br />

die Abgrenzung schwer.Was ihr helfe,<br />

sei ein Ortswechsel –etwa eine<br />

Pause im Freien.<br />

Lothar Seiwert rät, bestimmte<br />

Freizeitaktivitäten fest in den Alltag<br />

einzubauen. Ob Yoga, Fitness, Treffen<br />

mit Freunden, Meditation, Spaziergänge<br />

mit Hund, Theater oder<br />

Musical: Körperlicher, seelischer,<br />

mentaler und emotionaler Ausgleich<br />

seien wichtig. Er rät, sich fest zu verabreden.„Ich<br />

muss aber auch Termine<br />

mit dem wichtigsten Menschen<br />

machen: mit mir selbst.“ (dpa)<br />

Wann besteht<br />

Anspruch auf<br />

Urlaubsgeld?<br />

Nur bei Vertrag oder<br />

„betrieblicher Übung“<br />

Ein Bonus des Arbeitgebers auf<br />

dem Konto ermöglicht so manchem<br />

die Urlaubsreise im Sommer.<br />

Knapp jeder zweite Beschäftigte in<br />

Deutschland erhält Urlaubsgeld, wie<br />

eine Online-Befragung des WSI-<br />

Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen<br />

Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Einen<br />

gesetzlichen Anspruch auf eine freiwillige<br />

Sonderzahlung des Arbeitgebers<br />

haben Arbeitnehmer aber<br />

grundsätzlich nicht, erklärt Alexander<br />

Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

in Berlin. Einen Anspruch<br />

kann sich nur in drei Fällen ergeben:<br />

„Das gilt erstens,wennein Anspruch<br />

auf Urlaubsgeld im Arbeitsvertrag<br />

vereinbart ist, oder, zweitens, die<br />

Sonderzahlung im Tarifvertrag vorgesehen<br />

ist“, wie der Fachanwalt erklärt.<br />

Der dritte Fall ist die sogenannte<br />

betriebliche Übung. Davon spricht<br />

man, wenn der Arbeitgeber über einen<br />

längeren Zeitraum immer Urlaubsgeld<br />

gezahlt hat. „Zahlt der Arbeitgeber<br />

drei Jahre inFolge in gleicher<br />

Höhe und ohne Vorbehalt Urlaubsgeld,<br />

entsteht daraus im vierten<br />

Jahr ein Anspruch für die Arbeitnehmer“,<br />

erklärt Bredereck. Arbeitgeber<br />

können die betriebliche<br />

Übung aber explizit ausschließen,<br />

dann gilt diese Art von Gewohnheitsrecht<br />

nicht. (dpa)<br />

Jeder zweite Arbeitnehmer bekommt Urlaubsgeld.<br />

GETTYIMAGES/ GRADYREESE<br />

Schauspielerin<br />

Judi Dench (84)<br />

Die Geheimnisse<br />

meines Lebens<br />

Morgen<br />

lesen!<br />

KURIER traf die ehemalige<br />

Chefin von James Bond<br />

Foto: Imago-Images<br />

AM<br />

SONNTAG<br />

Der vonhier

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