faktor Herbst 2019
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mensch<br />
Greifbare Ergebnisse<br />
MPI-Direktor Christian Griesinger forscht daran, einige unserer schwerwiegensten<br />
Zivilisationskrankheiten zu bekämpfen und wurde für seine bahnbrechenden Erkenntnisse<br />
bereits mehrfach ausgezeichnet.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
War es ein Zeichen, dass der in Ulm geborene<br />
Christian Griesinger einst als junger Mann<br />
die Bronzemedaille der Internationalen<br />
Chemieolympiade ausgerechnet in Torun<br />
gewann, der polnischen Partnerstadt Göttingens? Er war<br />
damals gerade einmal 18 Jahre alt – 21 Jahre später sollte<br />
er die Leitung einer Abteilung am Max-Planck-Institut<br />
(MPI) für biophysikalische Chemie in der Gänselieselstadt<br />
übernehmen. Doch diese Verknüpfung der Stationen seines<br />
Lebenslaufs ist wohl etwas zu konstruiert ... „Auch<br />
wenn ich in Torun erstmals erkannte, dass ich in Chemie<br />
so schlecht nicht sein kann“, wie Griesinger heute<br />
schmunzelnd erzählt.<br />
DASS DEM TATSÄCHLICH SO IST, erkannten im Laufe<br />
seines Lebens auch noch viele andere: Denn inzwischen<br />
kann Griesinger zahlreiche angesehene Auszeichnungen<br />
im Bereich der Wissenschaft sein Eigen nennen – seit diesem<br />
Jahr auch den Günther-Laukien-Preis, den er für<br />
seine herausragenden Beiträge zur Kernspinresonanz-<br />
(NMR)- Spektroskopie erhielt. Griesinger erforscht die<br />
Struktur von Molekülen und deren Dynamik. Denn nur,<br />
wenn Proteine und Nukleinsäuren sich in eine bestimmte<br />
Form falten, können sie ihre biologische Aufgabe erfüllen.<br />
Der Wissenschaftler untersucht, auf welche Details es dabei<br />
ankommt. „Der Günther-Laukien- Preis ist die wichtigste<br />
Auszeichnung in diesem Bereich“, sagt Griesinger<br />
erfreut, der den 1997 verstorbenen Namensgeber zu Lebzeiten<br />
selbst noch kennenlernen durfte. „Ende der 1980er-<br />
Jahre führte ich mit einigen Forscherkollegen NMR-Messungen<br />
auf dem Bruker-Firmengelände durch. Günther<br />
Laukien hatte damals dort auch seine Wohnung. Er kam<br />
abends öfter zu uns und ließ sich, wie ein liebevoller<br />
Großvater von seinen Enkeln, alles über unsere spannende<br />
Forschung erklären.“<br />
WER JETZT DENKT, DASS GRIESINGERS WEG von klein<br />
auf vorgezeichnet war, der irrt: „Mein Zwillingsbruder<br />
und ich waren eher Spät entwickler, allerdings entdeckte<br />
ich schon früh mein Talent, Elektrogeräte zu reparieren“,<br />
erzählt der heute 59-Jährige und erinnert sich zurück an<br />
seine Kindheit in Neu-Isenburg. In dieser Zeit erwacht<br />
auch sein Interesse an Naturwissenschaften, und mit zwei<br />
Onkeln, die Chemiker sind, hat er bereitwillige Gesprächspartner.<br />
„Bei Familienfeiern sprachen wir nur über das<br />
eine. Und als meine Eltern mir dann auch noch einen<br />
Chemiebaukasten schenkten, war ich endgültig infiziert.“<br />
Und so wendet sich der jugendliche und eigentlich sehr<br />
sportliche Mann von anderen Hobbys ab – bis dahin<br />
stand er lange im aktiven Wettstreit mit seinem Bruder:<br />
Sie turnten, spielten Tennis und schwammen – sogar in<br />
demselben Verein wie ,Albatros‘ Michael Groß. „Das<br />
schwierigste Hobby aber, vor allem für die Nachbarn, war<br />
das Klavierspielen. Erst übte ich, dann mein Bruder, und<br />
umgekehrt. In einer Mietwohnung geht so was nicht lange<br />
gut“, sagt Griesinger mit einem schelmischem Lächeln.<br />
Seine Mutter freut sich, dass sein neues Hobby nun mit<br />
weniger Geräuschkulisse verbunden ist und fährt den<br />
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