mensch heranwachsenden Sohn bereitwillig zur Universitätsbibliothek, um sich wissenschaftliche Lektüre auszu leihen. Nach dem Abitur entscheidet sich Griesinger ohne Zögern für ein Doppelstudium der Chemie und Physik auf Diplom an der Universität Frankfurt. „Ich wollte vielseitig studieren. Dieser universelle Ansatz ist heutzutage leider kaum noch umsetzbar“, sagt er bedauernd und verweist auf die aus seiner Sicht nachteiligen Veränderungen der Studienordnungen. TROTZ ODER GERADE WEGEN DIESER offenen Herangehensweise findet der junge Student schnell seine Spezialdisziplin in der Kernspinresonanz-(NMR)-Spektroskopie, die ihn bis heute begeistert. „Es waren goldene Zeiten damals – alles, was man anfasste, war neu und führte zu Publikationen“, erklärt der Chemiker schwärmend, für den nach einem langweiligen Schülerpraktikum in der Pharmaindustrie schon früh feststeht, dass er in die akademische Forschung gehen will. Er wählt seinen Diplom- und Doktorvater Horst Kessler, der den Lehrstuhl für Organische Chemie an der Frankfurter Uni innehat, wegen seiner wissenschaftlichen Spezialisierung aus. Dieser schickt ihn schon mitten in der Diplomarbeit gemeinsam mit einem höhersemestrigen Kommilitonen und dem verantwortungsvollen Auftrag, ein NMR-Spektrometer zu testen, in die USA. Und schließlich vermittelt ihm Kessler auch die Möglichkeit, während der Doktorarbeit bei dem späteren Nobelpreisträger Richard Ernst an der ETH in Zürich zu forschen. Diesem Aufenthalt schließen sich nach der Promotion weitere dreieinhalb Jahre als Postdoktorand an. DIESE FÜR IHN EXTREM LEHRREICHE ZEIT endet mit dem Wechsel zurück an ,seine‘ Frankfurter Universität. Hier erhält er eine C4-Professur – allerdings ohne Habilitation, denn schon zu dem Zeitpunkt qualifizieren ihn 30 eigene Publikationen. Mit seinen gerade 29 Jahren gehört er trotz seiner vielen Erfolge aber dennoch zum Nachwuchs. „Diese Jahre lehrten mich sehr viel – insbesondere im Bereich der Mitarbeiterführung“, sagt er und erinnert sich an Zeiten, in denen er auch einige Kämpfe mit seinen Kollegen zu bestehen hatte. Doch Griesinger etabliert sich schnell, was auch die erstaunliche Liste seiner wissenschaftlichen Auszeichnungen beweist. Herausragend hierbei ist sicher der Leibniz-Preis, den er 1998 erhält. „Dieser war auch ausschlaggebend für den Ruf an das Göttinger MPI“, sagt Griesinger, der sich nach reiflicher Überlegung für den Umzug entscheidet. Zwar genießt er einen hervorragenden Ruf und bestmögliche Ausstattung in Frankfurt, doch will er ein anderes Umfeld kennenlernen und das Zusammenspiel der verschiedenen MPI und der Universität in Göttingen für seine Forschungen nutzen. Hier trifft er im Übrigen auch seinen Bruder wieder, der zu dieser Zeit als Assistenz- und dann als Oberarzt an der Universitätsmedizin der Stadt arbeitet. Den Wechsel als Direktor an das MPI für biophysikalische Chemie bereut Griesinger bis heute nicht. Auch hier kann er seine Arbeit erfolgreich weitertreiben. Doch der Wissenschaftler will die Ergebnisse jahrelanger Forschung nun auch in der Praxis genutzt wissen. Daher gründet er im Jahr 2013 zusammen mit Armin Giese von der Ludwig-Maximilians-Universität München und zwei weiteren Wissenschaftlern die Firma MODAG. Das Unternehmen erforscht, wie bestimmte Proteine bei neurodegenerativen Erkrankungen miteinander verklumpen, und entwickelt Moleküle, die eben diese Verklumpung verhindern. Bisherige Untersuchungen an Mäusen sind vielversprechend: Denn die von ihm und seinen Kollegen neu entwickelten Wirkstoffe können bei den Nagern die Parkinson-Erkrankung verlangsamen und das damit einhergehende Absterben von Nervenzellen stoppen. „Wenn sich in den klinischen Studien, die demnächst anlaufen werden, zeigt, dass sich unsere Ergebnisse von der Maus auf den Menschen übertragen lassen, könnten die Wirkstoffe möglicherweise auch bei Patienten mit der Parkinson-Creutzfeldt-Jakob- und der Alzheimer-Krankheit sehr positive Effekte zeigen“, sagt er und formuliert damit seine Hoffnung für die Zukunft. MIT DEM JÜNGSTEN HÖHEPUNKT seiner Karriere, dem Günther-Laukien-Preis, bestätigen die Juroren einmal mehr seine großen Fortschritte. Dass es aber häufig Jahrzehnte dauert, bis es zu greifbaren und in der Praxis nutzbaren Ergebnissen kommt, beflügelt Griesinger eher, als dass es ihn demotiviert. „Einen wirklichen Durchbruch hat man als Forscher wahrscheinlich nur einmal im Leben – aber dafür lohnt es sich, zu arbeiten.“ Über seine vielen Auszeichnungen freut er sich zwar, aber sieht diese nicht als wesentliche Motivation. Vielmehr möchte er am Wandel seines Fachgebiets teilhaben und hofft, einen entscheidenden Beitrag hierfür zu leisten. ƒ ZUR PERSON Christian Griesinger, geboren 1960 in Ulm, forscht seit 1999 in Göttingen als Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und ist gleichzeitig als Honorarprofessor an der Georg-August- Universität tätig. Schwerpunktmäßig arbeitet er daran, Methoden in der NMR-Spektroskopie zu entwickeln und diese im biologischen und pharmakologischen Umfeld anzuwenden. Griesinger ist seit 2007 gewähltes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, wurde neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen unter anderem mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Otto-Bayer-Preis und erst in diesem Jahr mit dem Günther-Laukien-Preis geehrt. 106 3 |<strong>2019</strong>
10 Jahre gutes Klima! Seit 10 Jahren bringen wir den Klimaschutz in der Region Göttingen voran. Dabei unterstützen wir mit unseren Projekten Privatleute genauso wie Unternehmen und Kommunen. Aber wir machen kein Pause, denn es gibt noch viel zu tun! BÜRGER*INNEN KOMMUNEN UNTERNEHMEN Klimaschutz. Wir unterstützen Sie. Energieeffizienz-Netzwerke 0551 384 213 10 Beratung für Gebäude und Haushalte Erneuerbare Energien earg.de