faktor Herbst 2019
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mensch<br />
Wer glaubt, Märchen gebe ist nur<br />
in der Literatur – der irrt. Sie<br />
passieren tatsächlich, die Geschichten,<br />
in denen Menschen<br />
vom Tellerwäscher zum Millionär<br />
werden. So wie diese: Das<br />
einst kleine Mädchen aus dem<br />
ländlichen Ungarn präsentiert Jahrzehnte später in Paris<br />
auf der Fashion Week eine eigene Kollektion. Jetset und<br />
Glamour, aber auch bodenständiges Leben – das ist Erzsébet<br />
Ilona Wagner. Eine Frau, die mit 19 Jahren bereits<br />
wusste, dass sie einmal ein anderes Leben führen möchte<br />
als das, das in ihrem ungarischen Heimatort auf sie wartete.<br />
Sie machte ihr Abitur und zog hinaus in die Welt ...<br />
Das klingt nach dem Beginn einer guten Story.<br />
„ALS KIND HATTE ICH NIE LANGE FINGERNÄGEL und<br />
immer dreckige Hände“, erzählt Wagner, lacht und<br />
schaut auf ihre gepflegten Hände. Damals lebte sie in<br />
einem Ort mit 30.000 Einwohnern. Im <strong>Herbst</strong>, wenn die<br />
Kartoffelernte anstand, ging Lisa, wie sie von ihren<br />
Eltern gerufen wurde, mit aufs Feld. Sie wuchs zwischen<br />
Schweinen und Rindern auf, die Namen hatten und<br />
irgendwann geschlachtet wurden. „Schweine hatten wir<br />
vor allem, um etwas zum Tauschen zu haben, wenn wir<br />
beispielsweise Fliesen für unser Bad brauchten“, sagt die<br />
heute 44-Jährige. Tauschwirtschaft statt Marktwirtschaft.<br />
So ist sie groß geworden. Mode gab es nur in<br />
verbotenen Westzeitschriften zu bestaunen, und Freiheit<br />
endete an der Grenze zu Österreich.<br />
»Ich könnte ein ganzes Buch schreiben,<br />
darüber, was ich alles erlebt habe,<br />
bis ich schließlich 2001 meine neue<br />
Heimat in Göttingen fand. «<br />
AN DIESER STELLE MUSS EIN SPRUNG in die Gegenwart<br />
erlaubt sein: Erzsébet I. Wagner wohnt in einer<br />
Stadtvilla aus der Gründerzeit mitten in Göttingen – mit<br />
großem Garten und Goldfischteich. Sie trägt teure Schuhe<br />
und elegante Kleider. „Als Kind hatte ich immer gedacht,<br />
wenn ich groß bin, werde ich schöne Mode tragen<br />
und schnelle Sportautos fahren“, so die gebürtige Ungarin.<br />
„Das war wohl – neben meiner Neugier – auch einer<br />
der Gründe, warum ich mit 19 Jahren in die west liche<br />
Welt gegangen bin.“ Seit 2017 ist ihr eigenes Taschenlabel<br />
Utmon es pour Paris auf dem Markt, unter dem sie<br />
weltweit Luxustaschen vertreibt: ob in Dubai, Los Angeles,<br />
St. Barth oder an der Côte d’Azur. Erfolgreich. <strong>2019</strong><br />
erhielt ihre Taschenkollektion ‚Switchbag‘ den German<br />
Design Special Award, weil, so die Jury, „diese Tasche<br />
Funktionalität und Stil aufs Beste miteinander vereint<br />
und weil sie die vielleicht luxuriöseste Art (ist), seine sieben<br />
Dinge durchs Leben zu tragen“.<br />
Doch zwischen damals und heute liegt sich ein langer<br />
Weg. „Ich könnte ein ganzes Buch schreiben, darüber,<br />
was ich alles erlebt habe, bis ich schließlich 2001 meine<br />
neue Heimat in Göttingen fand“, sagt Wagner. Göttingen,<br />
das ist für sie eine Großstadt, die klein genug ist, um<br />
auch einmal zur Ruhe zu kommen. Nur leider passiert<br />
das, seit sie selbst Unternehmerin ist, viel zu selten.<br />
„Wenn ich 70 Jahre bin, werde ich vielleicht mit meinem<br />
Mann zu Hause auf dem Sofa sitzen“, sagt sie und kommentiert<br />
dies mit einem Augenzwinkern. Doch richtig<br />
glauben möchte man es ihr nicht. Denn sowohl sie als<br />
auch ihr Ehemann Helmut Wagner, Gründer der amedesgroup,<br />
mit dem sie seit 2017 verheiratet ist, haben stets<br />
volle Terminkalender. Und sie lieben es unterwegs zu<br />
sein, zu reisen und die Freiheit zu genießen, die Freiheit,<br />
einfach mal loszufahren und auf der Autobahn spontan<br />
die Ausfahrt Richtung Frankreich zu nehmen.<br />
DIESEM FREIHEITSDRANG IST ES AUCH zu verdanken,<br />
dass es Erzsébet Wagner 1993 von Ungarn nach München<br />
zog, nach Kitzbühel, nach London, Mailand, Zürich und<br />
sogar bis nach San Francisco. In ihrem ersten Job im ‚Westen‘<br />
arbeitete sie als Kindermädchen bei einer prominenten<br />
Fußballerfamilie und traf zum ersten Mal in ihrem<br />
Leben auf gelebten Luxus: Designerkleider, ungetragen,<br />
ein Ankleidezimmer und die Möglichkeit, wie selbstverständlich<br />
500 Kilometer zum nächsten Friseur zu fahren.<br />
Die junge Frau war beeindruckt – und zog dennoch<br />
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