faktor Herbst 2019
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mensch<br />
» Ich habe es nicht nur gesehen, ich habe sogar spüren können, dass ich<br />
meine Erfahrungen einmal in Freiheit mit anderen Menschen teilen werde.<br />
Darin schwang die Gewissheit mit, dass ich doch überleben muss, wenn<br />
diese Vision der Zukunft wahr werden soll. Aber ich habe dabei nie die<br />
lebensbedrohliche Realität vernachlässigt. «<br />
Erfolgskurs. „Um ehrlich zu sein“, sagt Wallert mit einem<br />
Lächeln auf den Lippen, „ich liebe Komfortzonen.<br />
Meine Entscheidung für die Selbstständigkeit ist keine<br />
Heldengeschichte, sondern vielmehr aus einer Krise heraus<br />
entstanden. Rückblickend eine glückliche Fügung.“<br />
Und damit sind wir mittendrin im Thema von Marc<br />
Wallert: Veränderungen, Krisen, Neuanfänge – Resilienz.<br />
Wer Erfolg im Leben ausschließlich an beruflichem Erfolg<br />
misst, wird in Marc Wallert einen sehr erfolgreichen<br />
Menschen sehen. Doch Wallert merkte in seinem Leben<br />
immer wieder, dass sein beruflicher Erfolg in großen<br />
Firmen – ob in Luxemburg bei der Unternehmensberatung<br />
PwC, in der Automobilindustrie oder später bei<br />
Ottobock – zwar eine spannende Herausforderung war,<br />
aber auf Dauer kräftezehrend. Denn seine Welt sind<br />
nicht die Zahlen, es sind die Menschen. Seine berufliche<br />
Erfüllung fand er daher erst vor sechs Jahren – als Führungskraft<br />
von 60 Mitarbeitern und als Leiter der Patientenversorgung<br />
am Ottobock Headquarter. Der Schritt<br />
weg von den Zahlen und hin zu den Menschen war<br />
längst überfällig. „Schon bei PwC merkte ich, dass sich<br />
etwas ändern muss, nur was? Ich hoffte damals auf ein<br />
Zeichen.“ Wallert lacht herzlich. „Das kam dann, wenn<br />
auch anders als erwartet. Aus diesem Grund sehe ich<br />
meine Entführung heute nicht als Schicksalsschlag, sondern<br />
tatsächlich als ein Wink des Schicksals – den ich<br />
allerdings zunächst nicht zu nutzen wusste.“<br />
140 TAGE IN GEISELHAFT haben keine sichtbaren oder<br />
psychischen Folgen bei Wallert hinterlassen. In der ersten<br />
Zeit nach der Entführung suchte er vorsorglich einen<br />
Traumatherapeuten auf – doch ihm ging es gut. „In den<br />
ersten drei bis vier Wochen wachte ich nachts auf und<br />
hörte Schüsse, aber das ist lange vorbei.“ Seitdem beschäftigt<br />
Wallert immer wieder eine Frage: ,Warum habe<br />
ich so gut aus dieser Extremsituation herausgefunden?‘<br />
Er las in seinem Tagebuch nach, analysiert seine Rolle<br />
und die der anderen Geiseln und kam für sich zu einem<br />
klaren Resumee: „Jeder Mensch geht anders mit Krisen<br />
um, aber einige Überlebensstrategien sind besonders<br />
hilfreich“, sagt Wallert. Über die Jahre habe er viele<br />
Paralle len erkennen können, zwischen den Strategien,<br />
die im Dschungel das Überleben sicherten, und den<br />
Strategien, die für das Überleben von Unternehmen im<br />
Wirtschaftsdschungel sorgen. So wurde er vom Entführungsopfer<br />
zum Führungsexperten.<br />
DOCH WAS IST EIGENTLICH EINE KRISE? – „Letztlich<br />
ist eine Krise der schmerzhafte Punkt, an dem es so wie<br />
bisher nicht weitergeht, ob für Menschen oder Organisationen.“,<br />
erklärt der Keynote-Speaker. Er hat gelernt,<br />
dass Krisen zum Leben dazugehören und sogar wertvolle<br />
Wachstumschancen sein können, sofern man sie zu<br />
nutzen weiß. Dazu möchte er mit seinen Vorträgen und<br />
Trainings inspirieren.<br />
110 3 |<strong>2019</strong>