ZAP-2019-21
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Straßenverkehrsrecht Fach 9 R, Seite 531<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
An Kreuzungen und Einmündungen hat derjenige Vorfahrt, der von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 S. 1 StVO).<br />
Erweckt der Bevorrechtigte den Eindruck, er würde nicht am fließenden Verkehr teilnehmen, weil er sich<br />
aus einer zeitlich über einen lediglich verkehrsbedingten Halt hinausgehenden Halteposition heraus<br />
wieder in den fließenden Verkehr eingeordnet hat, ist im Falle einer Kollision im Kreuzungsbereich eine<br />
hälftige Schadenteilung sachgerecht (LG Kiel NZV <strong>2019</strong>, 370 [BACHMOR]). Die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 4<br />
S. 1 StVO, wonach derjenige, der nach links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits<br />
nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen muss, setzt einen typischen Geschehensablauf voraus.<br />
An einem solchen fehlt es, wenn im betreffenden Bereich zum einen Ampelzeichen vorgehen und zum<br />
anderen darüber hinaus eine gesonderte Lichtzeichenregelung für Linksabbieger vorhanden ist. In einer<br />
Kreuzungsräumer-Situation darf nur derjenige Verkehrsteilnehmer den Bereich bevorrechtigt räumen,<br />
von dem anderenfalls, d. h. bei Verbleiben im Kreuzungskernbereich, eine besondere Gefährdung für den<br />
übrigen Verkehr, insbesondere für den wiedereinsetzenden Querverkehr, ausgehen würde (KG NZV<br />
<strong>2019</strong>, 310 [BACHMOR]). Gegen den abbiegenden Fahrzeugführer spricht der Beweis des ersten Anscheins<br />
wegen eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang<br />
die Kollision mit einem überholenden Fahrzeug geschieht (LG Wuppertal VRR 5/<strong>2019</strong>, 16<br />
[NUGEL]; weiterführend BENZ DAR <strong>2019</strong>, 474). Der Anscheinsbeweis der Verletzung der aus § 9 Abs. 3 S. 2<br />
StVO folgenden Wartepflicht des Linksabbiegers wird durch die überhöhte Geschwindigkeit des<br />
Bevorrechtigten nicht erschüttert und schränkt auch den Vorrang des entgegenkommenden Verkehrs<br />
nicht ein (KG NJW-RR <strong>2019</strong>, 992 = NZV <strong>2019</strong>, 425 [LEMPP]; zur Rechtslage bei paarweisem parallelem<br />
Abbiegen KUHNKE NZV <strong>2019</strong>, 223; zur vollen Haftung bei Geradeausfahren auf der Linksabbiegerspur OLG<br />
Hamm NJW-RR <strong>2019</strong>, 990).<br />
bb) Mitverschulden<br />
Wie bereits das LG Frankfurt (NJW <strong>2019</strong>, 531 = DAR <strong>2019</strong>, 271 = zfs <strong>2019</strong>, 81) hat auch das LG Kiel (NZV<br />
<strong>2019</strong>, 262 [BACHMOR]) entschieden: In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung zum Tragen eines<br />
Schutzhelms ist der Schadenersatzanspruch eines Radfahrers ohne Schutzhelm, der infolge einer Vorfahrtsverletzung<br />
eines Kfz-Fahrers u.a. Kopfverletzungen erlitten hat, auch weiterhin grundsätzlich<br />
nicht wegen Mitverschuldens gem. §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB zu kürzen.<br />
b) Kollisionen mit Radfahren und Fußgängern<br />
Das für Fahrradfahrer geltende Gebot, auf kombinierten Fußgänger-/Radfahrerwegen auf Fußgänger<br />
im besonderen Maß Rücksicht zu nehmen, begründet keine generelle, situationsunabhängige Pflicht,<br />
Fußgänger durch ein Klingelzeichen auf sich aufmerksam zu machen oder sich Fußgängern nur mit<br />
Schrittgeschwindigkeit anzunähern (OLG Nürnberg DAR <strong>2019</strong>, 331).<br />
3. Sachschäden (§ 249 BGB)<br />
a) Fiktive Abrechnung durch Leasingnehmer<br />
Der Leasingnehmer, der die Pflicht zur Instandsetzung des Leasingfahrzeugs gegenüber dem Leasinggeber<br />
und Eigentümer für jeden Schadensfall übernommen und im konkreten Schadensfall nicht erfüllt<br />
hat, kann nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Eigentümers gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom<br />
Schädiger statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen (BGH NJW <strong>2019</strong>, 1669 m. Anm.<br />
KOCH = DAR <strong>2019</strong>, 3<strong>21</strong> = zfs <strong>2019</strong>, 384 m. Anm. DIEHL = NZV <strong>2019</strong>, 424 [PLETTER]).<br />
b) Vorschäden<br />
Hat das durch einen Unfall beschädigte Fahrzeug u.a. auch im streitgegenständlichen Schadensbereich<br />
Vorschäden erlitten, ist es Sache des Geschädigten, darzulegen und zu beweisen, welche konkreten<br />
Schäden durch frühere Ereignisse entstanden sind. Anhand vorgelegter Reparaturbescheinigungen lässt<br />
sich nicht mit hinreichender Gewissheit beurteilen, ob die Vorschäden vollumfänglich beseitigt wurden,<br />
zumal dann nicht, wenn diese Bescheinigungen keine detaillierte Beschreibung des Reparaturumfangs<br />
enthalten, so dass die Frage einer sach- und fachgerechten Schadensbehebung offenbleibt (LG<br />
Hamburg NZV <strong>2019</strong>, 427 [BACHMOR],zur Auswirkung eines teilreparierten abgrenzbaren Vorschadens OLG<br />
Saarbrücken VRS 135, 120 = VRR 7/<strong>2019</strong>, 9 [BENDIG]).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>21</strong> 7.11.<strong>2019</strong> 1119