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ZAP-2019-21

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Straßenverkehrsrecht Fach 9 R, Seite 537<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

gewichtigen Verkehrsverstößen innerhalb von wenig mehr als einem halben Jahr, von denen einer<br />

bereits mit einem Fahrverbot geahndet wurde, ist die Anordnung eines Fahrverbots auch bei<br />

Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz geboten (OLG Karlsruhe NStZ <strong>2019</strong>, 530 = NZV <strong>2019</strong>, 486<br />

[KRENBERGER]).<br />

3. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO)<br />

a) Messverfahren<br />

Auch im Berichtszeitraum waren die Grundsätze zum standardisierten Messverfahren und deren<br />

Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren von herausragender Bedeutung. Dabei handelt es sich um ein<br />

durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit<br />

und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten<br />

sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 3<strong>21</strong>, 322). Insofern gilt ein Regel-<br />

Ausnahme-Verhältnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der<br />

Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht<br />

(Regelfall; zum Toleranzabzug OLG Hamburg NZV <strong>2019</strong>, 255 m. Anm. FROMM). Anderes gilt nur bei<br />

Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler (Ausnahme), wofür es regelmäßig konkreter,<br />

einer Beweiserhebung zugänglicher Einwände des Betroffenen bedarf. Im Grundsatz genügt im Urteil<br />

die Angabe des verwendeten standardisierten Messverfahrens und des abgezogenen Toleranzwerts.<br />

Der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) soll die Funktion eines<br />

antizipierten Sachverständigengutachtens zukommen. Bei einem widerstreitenden Sachverständigengutachten<br />

kann das Tatgericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung<br />

vornehmen, oder was im Hinblick auf die Materie naheliegend ist, das strukturelle Problem der PTB als<br />

Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. Ist das<br />

Tatgericht nicht zur Bildung einer eigenen Überzeugung in der Lage, hat es vor einem Freispruch des<br />

Betroffenen alle diesbezüglichen Möglichkeiten auszuschöpfen, etwa eine ergänzenden schriftliche<br />

Stellungnahme der PTB einzuholen (OLG Köln DAR <strong>2019</strong>, 399; zur Nachprüfbarkeit eines geeichten<br />

Messwerts näher MÄRTENS/WYNANDS NZV <strong>2019</strong>, 338). Erfolgt die Konformitätserklärung eines Messgeräts<br />

nach § 11 MessEV zeitlich vor der durchzuführenden Konformitätsbewertung, soll dies keine<br />

Auswirkungen auf die Annahme eines standardisierten Messverfahrens haben (so OLG Celle zfs <strong>2019</strong>,<br />

509 = NZV <strong>2019</strong> [abl. DEUTSCHER]).<br />

Nach seiner hier berichteten Entscheidung aus dem Jahr 2018 zu den Grundsätzen des rechtlichen<br />

Gehörs und des fairen Verfahrens bezüglich der Einsicht in Messdaten (hierzu unten c) hat sich der<br />

VerfGH Saarland erneut aufsehenerregend geäußert (NJW <strong>2019</strong>, 2456 m. krit. Anm. KRUMM = NZV <strong>2019</strong>,<br />

414 m. krit. Anm. KRENBERGER = DAR <strong>2019</strong>, 500 m. Anm. GRATZ = StRR 8/<strong>2019</strong>, 28 = VRR 8/<strong>2019</strong>, 11 [jew.<br />

DEUTSCHER]; Besprechung von PEUKER NZV <strong>2019</strong>, 443). Hiernach besteht ein verfassungsrechtliches<br />

Beweisverwertungsverbot für das Ergebnis solcher Geschwindigkeitsmessungen, bei welchen das<br />

eingesetzte Messgerät – hier: Laser-Messgerät Traffistar S 350 – die erhobenen Rohmessdaten nicht<br />

speichert, sodass diese der Verteidigung nicht zur Überprüfung der Richtigkeit der Messung zur<br />

Verfügung gestellt werden können. Denn in einem solchen Fall liegt eine verfassungswidrige Beschränkung<br />

des Grundrechts auf Verteidigung vor. Es bleibt abzuwarten, wie die OLG in den anderen<br />

Bundesländern mit dieser Entscheidung umgehen werden (näher DEUTSCHER a.a.O.). Die Zuverlässigkeit<br />

des Messgeräts ES 3.0 wird nach OLG Koblenz (zfs <strong>2019</strong>, 293) nicht dadurch infrage gestellt, dass es<br />

möglich ist, durch Projektion eines sich über Karosserie eines vor dem Messgerät stehenden Fahrzeug<br />

bewegenden Lichtflecks eine Messung auszulösen (zu diesem Messgerät auch BLADT DAR <strong>2019</strong>, 290).<br />

Erfolgt die Messung mittels des ProVida-Systems durch Nachfahren mit einem Motorrad, so liegt<br />

nur dann eine Messung im standardisierten Verfahren vor, wenn sie im Geradeausfahren in aufrechter<br />

Haltung erfolgt (OLG Hamburg NZV <strong>2019</strong>, 255 m. Anm. FROMM). Die Geschwindigkeitsermittlung durch<br />

Nachfahren und mittels des GPS-Signals einer im Polizeifahrzeug installierten Dash-Cam ist nicht<br />

standardisiert (OLG Köln NZV <strong>2019</strong>, 266 [KRENBERGER]).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>21</strong> 7.11.<strong>2019</strong> 1125

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