AUTOINSIDE Ausgabe 7/8 – Juli/August 2021
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BRANCHENVERTRETUNG/HANDEL<br />
Studie<br />
Sind die Schweizer bereit<br />
für den Auto-Onlinehandel?<br />
Online boomt. Das zeigt sich allein schon an den Kartonbergen, die Herr und Frau Schweizer alle zwei<br />
Wochen säuberlich gebündelt an den Strassenrand stellen. Doch sind sie auch bereit, Autos online zu kaufen?<br />
Dieser Frage ging Jan Schweizer, Garagistensohn aus Basel, in einer Masterarbeit nach. Sandro Compagno<br />
Seit Jahren wächst der Onlinehandel in der<br />
Schweiz, nie so stark wie im «Corona-Jahr»<br />
2020. Eine Erhebung vom Handelsverband.<br />
swiss, dem Marktforschungsinstitut GfK und<br />
der Schweizerischen Post zeigt auf, wie stark<br />
das Wachstum im hiesigen Onlinehandel<br />
im vergangenen Jahr effektiv ausgefallen ist:<br />
Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten<br />
kauften im Jahr 2020 Waren und Güter<br />
im Wert von 13,1 Milliarden Franken via<br />
Internet ein. Dies entspricht einer Steigerung<br />
von 2,8 Milliarden Franken respektive 27,2<br />
Prozent gegenüber 2019. Damit hat sich der<br />
Onlinehandel in der Schweiz in den letzten<br />
sechs Jahren verdoppelt.<br />
Die Kaufbereitschaft online ist (noch?) tiefer als im stationären Handel. Foto: Istock.<br />
Betrachtet man die Absatzstrukturen des<br />
Schweizer Automobilmarktes, so fällt auf,<br />
dass diese Entwicklung nicht in der Branche<br />
Eingang gefunden hat. Alle grossen Marken<br />
vertreiben ihr Angebot praktisch ausschliesslich<br />
über den Zwischenhandel. Nur der Hersteller<br />
Tesla und die Amag-Gruppe haben ein<br />
Onlineangebot vorzuweisen.<br />
In seiner Masterarbeit an der Fernfachhochschule<br />
Schweiz (FFHS) ging Jan Schweizer<br />
daher auch einer «Huhn-Ei-Frage» nach: Ist<br />
der Weg ins Onlinegeschäft gangbar und<br />
zielführend, wenn die grossen Player keine<br />
besseren Absatzzahlen via Web liefern können?<br />
Und sind die Schweizer Konsumenten<br />
überhaupt bereit für den Neuwagen-Onlinehandel?<br />
Im Online-Fragebogen wurde ein Quasi-Experiment<br />
durchgeführt; die Teilnehmer wurden<br />
dabei in zwei ungefähr gleich grosse<br />
Gruppen eingeteilt: Der einen Gruppe wurde<br />
eine Online-Kaufsituation aufgezeigt, der anderen<br />
eine stationäre Kaufsituation im Showroom.<br />
Die Situationen wurden mit bildlichen<br />
Darstellungen anhand der Customer Journey<br />
vermittelt. Anschliessend wurden die Probanden<br />
gebeten, Aussagen zu bewerten, welche<br />
die Kaufbereitschaft abfragten.<br />
Insgesamt 385 Personen aus der Deutschschweiz<br />
füllten den ganzen Fragebogen aus.<br />
Das Resultat der Untersuchung zeigt vor allem<br />
eines: Die Kaufbereitschaft der Konsumenten<br />
ist online tiefer als im stationären<br />
Handel. Kann man den Onlinehandel im<br />
Neuwagengeschäft also getrost vergessen?<br />
Auf keinen Fall, meint Studienautor Jan<br />
Schweizer und warnt ausdrücklich davor,<br />
den Onlinehandel zu vernachlässigen: «Weiterführende,<br />
explorative Erhebungen haben<br />
sogar das Bild verstärkt, wonach Konsumenten<br />
unter den richtigen Voraussetzungen<br />
durchaus gewillt wären, Neufahrzeuge online<br />
zu kaufen.» Entscheidend scheine, dass<br />
das Angebot entsprechend den Bedürfnissen<br />
der Konsumenten gestaltet wird. Womit wir<br />
wieder bei der «Huhn-Ei-Frage» sind: Was<br />
muss zuerst da sein? Das Angebot der Hersteller<br />
oder die Bereitschaft der Konsumenten?<br />
Die Untersuchungsteilnehmer nannten als<br />
wichtige Kriterien für einen Onlinekauf eine<br />
persönliche Beratung, den Wunsch, das Fahrzeug<br />
in der Realität zu sehen und Probefahren<br />
zu können, die einfache Verfügbarkeit<br />
von Informationen, schnelle Reaktionszeiten<br />
auf Fragen und auch das Gewähren eines<br />
Preisvorteils. Sämtliche dieser Kriterien lassen<br />
sich auch online implementieren.<br />
Nichtsdestotrotz, so folgert Jan Schweizer,<br />
werde der stationäre Handel auch in Zukunft<br />
eine wichtige Rolle spielen. «Die Schweizer<br />
Garagisten sollten sich aber um das Thema<br />
Online-Fahrzeugverkauf kümmern. Auch<br />
wenn aktuell die Kaufbereitschaft noch nicht<br />
das gewünschte Niveau erreicht hat, kann<br />
davon ausgegangen werden, dass es eine gute<br />
Investition in die Zukunft sein wird.» <<br />
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<strong>Juli</strong><strong>–</strong><strong>August</strong> <strong>2021</strong> | <strong>AUTOINSIDE</strong>