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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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Haus zu Haus. Er setzte sich ans Klavier, hatte Zigarren bereitgestellt und spielte

russische Lieder und anderes. Viele Frauen und Mädchen aus dem Dorf waren bei

ihm versteckt. Er wusste, dass Russen Musik lieben. Die eindringenden Soldaten

vergaßen das Suchen. Sie um standen das Klavier und sangen und tanzten sogar. In

diesem Haus wurde nicht geplündert und den Frauen geschah nichts. Die Offiziere

bezogen dort Quartier.

Das ging sehr lange gut. Dann kam wieder ein Wechsel der Truppen. Bei solch einem

Wechsel geschah ein Unglück. Die Zimmer für die Offiziere mussten gereinigt

werden. Die Frauen fanden eine Handgranate. Sie holten den Lehrer, der sie aus dem

Fenster werfen wollte. Dabei explodierte sie. Herr F. wurde am Oberkörper und

Armen so zerrissen, dass keine Hoffnung bestand, dass er überleben könnte. Er war

bewusstlos. Der Arzt konnte ihm nur noch den Gnadenschuss geben. Die Frau des

Lehrers war dabei, als das Unglück geschah. Der einzige Sohn war Soldat in

Russland vermisst und ist nicht wieder gekommen.

Der Offizier, der uns einige Zeit beschützt und versorgt hat, kam bedrückt zu uns, um

sich zu verabschieden. Er war sehr traurig und ließ durch die Flüchtlingsfrau

übersetzen:“ Wir Mädchen sollten uns verstecken. Es würden andere Soldaten

kommen, die uns schlecht behandeln könnten. Außerdem wäre möglich, dass man

uns nach Russland verschleppen würde.“ Wir waren sehr traurig, dass dieser Offizier

uns verlassen musste. Wir ahnten, was geschehen könnte.

Kaum waren die Soldaten weg, machten wir uns mit Mutti und meinen Geschwistern

bereit. Unser Knecht Emil wollte uns auf den Heuboden über dem Kuhstall bringen.

Als wir die Tür öffneten, kamen gerade ein paar Russen auf den Hof. Sie hatten uns

sofort gesehen. Jetzt begann ein neues Drama. Einige kamen rein, in die Decke

geschossen, dann Tisch umgeworfen, Doppelbett umgekippt, Lebensmittel, die vom

Tisch gefallen waren, zertrampelt. Die Großonkel mussten aufstehen und wurden

umgestoßen. Die Russen brüllten und tobten. Dann mussten alle Alten in das andere

Zimmer, wo unser 84 jähriger Großvater geschwächt und nicht ansprechbar lag. Auch

die beiden Tanten und die Großmütter mussten mit. Die Russen gingen hinterher. Wir

dachten, dass sie alle umgebracht werden. Sie hatten doch nichts getan! Als nichts

geschah und alle wieder raus kamen, atmeten wir auf.

Nun wollten sie meine Schwester und mich mitnehmen. Mein kleiner Bruder stellte

sich schützend vor uns. Da nahm ein Russe ihn und warf ihn an die Wand. Der

Zehnjährige wusste nicht mal, was sie von uns wollten. Wieder wurden wir beide in

anderen leeren Räumen vergewaltigt. Das Wehren half nichts, da hatte der Kerl ein

großes Messer in der Hand, um meine Kleider auf zuschneiden. Um meine Kleider zu

retten, gab ich nach. Im Nebenraum, hatten sie sich über meine Schwester

hergemacht.

Plötzlich rief jemand etwas und alle verließen uns fluchtartig. Jetzt baten wir den

Sohn der Flüchtlingsfrau, zu sehen, ob niemand auf dem Hof ist, und sind dann

schnell zum Versteck gelaufen. Diesmal kamen wir unentdeckt zum Kuhstall und

kletterten auf den Heuboden über den Ställen. Wir krochen in eine äußere Ecke. Der

Knecht wollte uns einmal am Tag Essen und Trinken bringen. Er wurde von den

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