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gelernt und würde sich gern, so lange ich noch hier bin, mit mir am Zaun zur
Unterhaltung treffen. Sie würde mich dann rufen lassen.
Ich nannte ihr dann meinen Namen, doch sie konnte Gisela schlecht sprechen und
schlecht merken. Sie erzählte mir, dass sie Heinrich Heine besonders liebte und die
Loreley. Nach ihren Vorstellungen sei ich dieser Jungfrau ähnlich. Dabei waren meine
Haare dunkelblond und nicht mehr so lang. Sie wollte mich "Loreley“ rufen.
Wir trafen uns täglich am Zaun. So erfuhr ich viel über sie und ihre Familie und
bekam auch Nachricht für uns, die nach Hause wollten.
Ihre Mutter lernte ich auch kennen. Sie arbeitete als Verbannte in der Küche. Warum
war sie verbannt? Das wusste sie nicht. Es hat nie einen Prozess gegeben. Ihr Mann,
Nannis Vater war abgeholt worden und ist verschollen. Sie hatten in der Ukraine ein
Gut, das dem Großvater gehörte. Dieser war deutscher Jude. So war Nannis Familie
wohl deshalb verfolgt worden. Auch der Großvater war weg. Nur Nanni hatte man
verschont. Sie besuchte in Moskau das Gymnasium. Sie war zwei Jahre älter als ich.
Nun durfte sie zum ersten mal ihre Mutter besuchen. Ihre Mutter lebte schon 10 Jahre
in der Verbannung. Sie war eine sehr gebildete Frau, sprach fließend deutsch und
wirkte sehr vornehm und bescheiden. Nanni besuchte mich täglich mit Loreley. So
wurde ich bald von allen Loreley genannt. Ich war jetzt in der Entlassungsbaracke.
Nanni und ich sprachen viel über deutsche Dichter und Musiker. Sie wusste mehr
darüber als ich. Heinrich Heine kannte ich nur von dem Lied, weil er Jude war. Bei
Hitler war er verboten. Auch über unsere Erlebnisse beim Einmarsch der Russen
unterhielten wir uns. Auch Nanni erzählte über unsere Soldaten und die SS. Sie selbst
hatte es nur über Verwandte gehört. Diese hatten sehr Schlimmes erlebt.
Einmal fragte sie mich nach einem besonderen Wunsch im Auftrag von ihrer Mutter.
Ich bat um zwei Pellkartoffeln, weil ich wusste, dass die Mutter in der Küche
arbeitete. Die Offiziere bekamen Kartoffeln nur wir nicht. Es klappte nicht. Lange
mochte Nanni mir das nicht sagen, warum? Wenn ihre Mutter zwei Kartoffeln
weggenommen hätte, wäre sie bei Entdeckung schwer bestraft worden bis zu zwei
Jahren Verlängerung der Verbannung. Das hat mich erschüttert. Um Gottes Willen,
das kann man doch nicht machen! Ich war entsetzt.
Nun wusste ich, wie schwer es die Verbannten dort hatten. Nur die Offiziere waren
nicht verbannt. Nannis Mutter wusste nicht, wie lange sie noch dort bleiben muss. Sie
hoffte sehr, dass sie bald nach Hause kann. Manche Verbannten bespitzelten andere,
um Vorteile zu erhalten. Das Klauen von Brot unter unseren Pritschen war nicht
gegen uns gerichtet, sondern der Hunger trieb sie dazu. Sie wussten, dass sie dann
bestraft werden. Leider wussten wir das nicht.
Da fiel mir die kleine Krankenschwester ein, die für mich wohl Quark genommen
hatte. Wurde sie erwischt? Warum war sie plötzlich weg? Opferte sie sich für mich?
Strafe? Ach, könnte ich ihr doch danken! Bei Verfehlungen durften Verbannte nicht
mehr in dem Lager bleiben. Sie verschwanden dann. Niemand wusste, wohin. Sie
war auch plötzlich weg. Was für ein Opfer!
Mit Nanni sprach ich darüber, und so erfuhr ich das alles erst. Nanni hatte dort
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