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Schüsse und Schreie.
Was war geschehen? Wir erfuhren es erst nach langem Warten. Aus Angst traute sich
niemand von der Stelle. Im Hinterhaus wohnte eine junge Frau mit ihrem Kleinkind.
Ihr Mann war vor wenigen Tagen in voller Uniform von der Front in Urlaub
gekommen. Da die Russen schon in der Nähe waren, baten alle, er solle die Uniform
ausziehen und die Waffen verstecken. Er hörte nicht, denn er wollte wieder zurück
zur Truppe. An dem Tag, als die Russen in unsere Straße kamen, war der
leichtsinnige Soldat gerade draußen und wurde von den russischen Soldaten gesehen.
Er rannte ins Haus und zu seiner Frau und dem Kind. Die Russen rannten hinterher
und glaubten, dass in dem Haus noch Soldaten sind. Ahnungslos kam unser Kutscher
mit dem Jungen aus dem Zimmer im oberen Stock, als die Russen ins Haus stürmen.
Sie erschossen, den Kutscher, der unbewaffnet war. Der Junge konnte sich noch
retten, weil er ins Zimmer zurück flüchtete. Die Russen suchten den Hof ab. Sie
stürmten in die Wohnung des Soldaten. Er wurde regelrecht hingerichtet. Seine Frau
wurde vergewaltigt und gequält.
Dann durchsuchten sie das ganze Haus. Sie betraten die Zimmer mit Gewehr im
Anschlag. Alle Menschen mussten mit erhobenen Händen aufstehen und wurden
abgetastet. Die Räume wurden durchwühlt. Man kann nicht beschreiben, wie uns
zumute war. Die Angst nahm uns gefangen. Es wurde uns befohlen, in den Räumen
zu bleiben. Jetzt kamen immer wieder Russen und schnüffelten herum. Sie zerstörten
Möbel und anderes.
Wir hatten auch Leute dabei, die russisch verstanden. Zwei Russen verlangten, dass
meine Schwester und ich aufstehen sollten. Sie begutachteten uns und sprachen über
uns. Als sie gegangen waren, sagte man uns, dass sie uns abends holen wollten.
Sofort sprach Mutti mit dem Bauern: "Wo können wir uns verstecken?“Er brachte
uns in seine Scheune. Jetzt erst wurden meine Schwester und ich aufgeklärt, was die
Russen von uns wollten. Wir hatten über Sexualität und Vergewaltigung noch kaum
etwas gehört. In einer Ecke in der Scheune unter Heu versteckten wir uns. Nachts
wollte uns der Bauer zu einem abgelegenen Hof führen.
Stunden lagen wir in der Ecke. Unruhe hörten wir auf dem Hof. Dann lautes und
erregtes Sprechen drang näher. Die Scheunentür wurde geöffnet. Man suchte nach
uns. Mit Lampen wurde geleuchtet. Sie fanden uns nicht und verließen die Scheune
wieder. Wir hatten nicht unter hohen Haufen gelegen, sondern in einer flachen Ecke.
Da vermuteten sie uns nicht.Man kann sich unsere Angst kaum vorstellen. Noch
lange warteten wir auf den Bauern. Die Russen hätten ihn beinahe gefangen
genommen, weil sie uns nicht fanden. Wir sind dem Bauern sehr dankbar, dass er so
mutig war, uns zu beschützen.
Endlich kam der Bauer und führte uns hinten aus der Scheune. Es war eine kalte
Nacht mit leichtem Schneefall und sehr dunkel. Wir hatten nur wenige Sachen zu
tragen. Niemand durfte sprechen, denn es wurde immer wieder geschossen, und
Scheinwerfer leuchteten die Gegend in Kreisen ab. Mehrmals mussten wir uns
hinlegen, wenn die Scheinwerfer in unsere Richtung leuchteten.
Der Weg führte am Schönfliießer See entlang durch Schilf. Das Eis war hier nicht
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