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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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Holz zum Heizen hatten. Der Graupenbrei hat sich leider nicht verändert. Immer

noch so dick und salzig. Durst, Durst, das war eine Qual. Wir merkten, dass das viel

schlimmer ist als Hunger. Oft wussten wir uns nicht anders zu helfen, als dass wir

unsere Löffel und kleinen Becher durch Lukengitter hielten, wenn es regnete. In der

Not ist das eine Hilfe.

Als wir auf einer Station irgendwo hielten, regnete es in Strömen. Gegenüber stand

ein Zug mit russischen Soldaten, die grinsend herüber sahen. Aus Stolz haben wir

nicht einen Regentropfen aufgefangen, obwohl es uns schwer fiel.

Weiter nach Russland hinein, lag mehr Schnee. Ich muss hier hervorheben, dass die

zivile Bevölkerung in diesem Gebiet sich viel freundlicher uns gegenüber verhielt. Ira

bat sie, uns Schneebälle rein zuwerfen. Sie taten es sofort, ohne sich um die

schimpfenden Posten zu kümmern. Diese Menschen schienen ohne Hass, obwohl sie

den Krieg mit unseren Soldaten erlebt haben mussten. Sie warfen nicht mit Steinen,

beschimpften uns nicht, und hätten uns gern Eier und Gemüse verkauft.

Ira unterhielt sich öfter mit den Wachen von der Luke aus. Da sie bei jedem Halt

sofort vor den Wagentüren standen, nutzten wir die Gelegenheit, um zu erfahren, wo

wir waren. Es gab freundliche und sehr unfreundliche Posten.

Da geschah eines Tages etwas, was ich nicht vergessen kann. Die Wagentür wurde

geöffnet. Lauter Soldaten mit auf gepflanzten Gewehr standen an der Tür. Wir zählten

acht. Dann trat ein kleiner Offizier, mit einem Knüppel in der Hand, ein. Ira hatte von

ihm erzählt, dass er ein gemeiner Bursche sei, Sie fürchtete ihn sehr. Was nun

geschah, konnten wir nur sehen, denn was Ira und der Russe im heftigen

Wortwechsel sprachen, verstanden wir nicht. Ich ahnte nichts Gutes, denn der Kerl

sah wie ein Verbrecher aus und führte sich so auf. Schließlich kam Ira von ihrem

Lager runter in die Mitte des Wagens und zog ihren dicken Pelz aus. Immer noch

sprachen beide heftig aufeinander ein, bis der Kerl mit seinem Knüppel auf sie brutal

einschlug. Wir schrien auf, nicht aber Ira. Sie ließ die Prügel über sich ergehen und

stöhnte nur leise. Wir mussten das mit ansehen, und konnten nicht helfen jedem, der

sich näherte, drohte er sofort auch. Dann ging der Kerl.

Ich half Ira auf ihren Platz und bettete sie auf ihrem Pelzmantel. Jetzt wimmerte sie

leise. Sie war so geschlagen worden, dass sie kaum liegen und nicht sitzen konnte.

Erstaunlicherweise beruhigte sie sich doch bald und erzählte uns alles.

Ein Posten hätte ihm gemeldet, sie hätte gesagt, dass alle Russen Schweine sind. Nie

hat sie das gesagt. Es war sicher nur ein gesuchter Vorwand, weil sie bei den

Verhören nicht für ihn willig war.

Am Nachmittag des gleichen Tages rösteten wir gerade unser Brot. Ira stand neben

mir, nachdem sie etwas geschlafen hatte. Auf einmal sagte sie;“ Gisela, bitte halte

mich!“ Schon lag sie mit schweren Krämpfen in meinen Armen. Sie hatte Schmerzen

in der Herzgegend. Wir legten sie wieder auf ihr Lager, öffneten die Kleider, rieben

die Fußsohlen und die Arme, die ganz steif waren. Wie konnten wir ihr helfen? Wir

wagten kaum, sie zu berühren, denn der ganze Körper war geschwollen von den

Schlägen. Als sie zu sich kam und ruhiger war, bat sie um Wasser. Keinen Tropfen

hatten wir. Als wir mit unseren wenigen Brocken russisch den Posten um Wasser

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