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auch noch weiter fahren.
Vorsichtshalber fragte ich eine Mutter mit ihrem Kind in der Sportkarre nach dem
Weg. Sie fragte mich:"Wohin willst du denn?"Ich erzählte ihr, dass ich zu meinen
Großeltern nach Marienfelde wollte. "Wohin denn dort?"fragte sie."In die Kirchstraße
13."sagte ich."Du kannst mit mir kommen,denn ich wohne ganz in der Nähe!"So
schloss ich mich ihr an. Sie schenkte mir belegte Brote.
Beschenkt worden bin ich auf dem Weg so viel, dass ich bis zu meinen Angehörigen
schon 36 RM hatte.
Ich war jetzt sehr aufgeregt, denn die Ungewissheit schnürte mir die Kehle zu. Werde
ich meine Familie finden? Leben sie alle noch? Wo sind sie? Ich konnte jetzt nichts
essen. Dann die Frage, steht das Haus meiner Großeltern noch? Sind sie da? Was
mache ich, wenn ich niemand finde? Mutti, Vati, Fritz, Eva und Hans-Hubertus, wo
sind sie?
Ich musste mit der Frau noch mal umsteigen in Mariendorf. Nach längerem Warten
ging es aber schnell weiter. Dann in Marienfelde. Hier kannte ich mich ganz gut aus,
weil wir öfter bei den Großeltern waren. In der Kirchstraße an einer Ecke zu einer
Nebenstraße trennten wir uns. Die nette Frau zeigte mir ihr Haus und sagte:"Ich habe
acht Kinder, aber wenn Du niemand antriffst, kommst Du zu uns! Für Dich haben wir
auch noch einen Platz!"Später hat sie mich noch mal besucht, als ich noch sehr krank
war. Ich bin ihr sehr dankbar für die Hilfe. Ich hatte nun das Gefühl, nicht ganz
verlassen zu sein.
Als ich vor dem Haus meiner Großeltern stand, zitterte ich. Das Dach war weg, vor
den Fenstern nur Bretter. Nur an einem Fenster war eine kleine Glasscherbe
eingesetzt. Die Haustür wurde durch Balken abgestützt. Dann klingelte ich an der
Gartenpforte, doch sie ging nicht. Ich war aufgeregt. Dann merkte ich, dass die Tür
nur angelehnt war. Ich ging in den Vorgarten, da sah ich den Kopf meiner Großmutter
an dem kleinen Fenster. An der Haustür kam mir meine Patentante Trude entgegen."
Ist das aber fein!" sagte sie und ich schluchzte laut und konnte mich nicht mehr
beherrschen.
Glücklich begrüßte ich meine Großmutter. Sie erzählte mir, dass mein Vater nicht
mehr lebt, und Mutti mit den Geschwistern in Neustrelitz in Mecklenburg bei Tante
Dorle sind. Bruder Fritz hatte sich auch aus der Gefangenschaft bei Bad Kreuznach
gemeldet.
Tante Trude brachte mir Tee und eine heiße Brühe.Ich wusch mich und wollte
schlafen. Im Bett mit Matratze und dickem Federbett konnte ich nicht schlafen. Alles
war so anders. Keine Bretter und schön warm. Ich stand wieder auf.
Dann schrieb ich eine Karte an meine Mutter.Telefon gab es damals nicht. Ich schrieb
ihr, dass ich nach einer Woche zu ihr nach Neustrelitz kommen würde. Nun kam
Großvater, der Pfarrer von Beruf war, aber schon lange pensioniert war. Da kein
Pfarrer da war, hatte er wieder gepredigt mit 82 Jahren. Er lud mich ein, mit ihm
einkaufen zu gehen. Dann wollte ich meine andere Oma und Tante Friedel besuchen.
Sie wohnten einige Straßen weiter. Wir trafen sie schon auf dem Wege.
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