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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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auch noch weiter fahren.

Vorsichtshalber fragte ich eine Mutter mit ihrem Kind in der Sportkarre nach dem

Weg. Sie fragte mich:"Wohin willst du denn?"Ich erzählte ihr, dass ich zu meinen

Großeltern nach Marienfelde wollte. "Wohin denn dort?"fragte sie."In die Kirchstraße

13."sagte ich."Du kannst mit mir kommen,denn ich wohne ganz in der Nähe!"So

schloss ich mich ihr an. Sie schenkte mir belegte Brote.

Beschenkt worden bin ich auf dem Weg so viel, dass ich bis zu meinen Angehörigen

schon 36 RM hatte.

Ich war jetzt sehr aufgeregt, denn die Ungewissheit schnürte mir die Kehle zu. Werde

ich meine Familie finden? Leben sie alle noch? Wo sind sie? Ich konnte jetzt nichts

essen. Dann die Frage, steht das Haus meiner Großeltern noch? Sind sie da? Was

mache ich, wenn ich niemand finde? Mutti, Vati, Fritz, Eva und Hans-Hubertus, wo

sind sie?

Ich musste mit der Frau noch mal umsteigen in Mariendorf. Nach längerem Warten

ging es aber schnell weiter. Dann in Marienfelde. Hier kannte ich mich ganz gut aus,

weil wir öfter bei den Großeltern waren. In der Kirchstraße an einer Ecke zu einer

Nebenstraße trennten wir uns. Die nette Frau zeigte mir ihr Haus und sagte:"Ich habe

acht Kinder, aber wenn Du niemand antriffst, kommst Du zu uns! Für Dich haben wir

auch noch einen Platz!"Später hat sie mich noch mal besucht, als ich noch sehr krank

war. Ich bin ihr sehr dankbar für die Hilfe. Ich hatte nun das Gefühl, nicht ganz

verlassen zu sein.

Als ich vor dem Haus meiner Großeltern stand, zitterte ich. Das Dach war weg, vor

den Fenstern nur Bretter. Nur an einem Fenster war eine kleine Glasscherbe

eingesetzt. Die Haustür wurde durch Balken abgestützt. Dann klingelte ich an der

Gartenpforte, doch sie ging nicht. Ich war aufgeregt. Dann merkte ich, dass die Tür

nur angelehnt war. Ich ging in den Vorgarten, da sah ich den Kopf meiner Großmutter

an dem kleinen Fenster. An der Haustür kam mir meine Patentante Trude entgegen."

Ist das aber fein!" sagte sie und ich schluchzte laut und konnte mich nicht mehr

beherrschen.

Glücklich begrüßte ich meine Großmutter. Sie erzählte mir, dass mein Vater nicht

mehr lebt, und Mutti mit den Geschwistern in Neustrelitz in Mecklenburg bei Tante

Dorle sind. Bruder Fritz hatte sich auch aus der Gefangenschaft bei Bad Kreuznach

gemeldet.

Tante Trude brachte mir Tee und eine heiße Brühe.Ich wusch mich und wollte

schlafen. Im Bett mit Matratze und dickem Federbett konnte ich nicht schlafen. Alles

war so anders. Keine Bretter und schön warm. Ich stand wieder auf.

Dann schrieb ich eine Karte an meine Mutter.Telefon gab es damals nicht. Ich schrieb

ihr, dass ich nach einer Woche zu ihr nach Neustrelitz kommen würde. Nun kam

Großvater, der Pfarrer von Beruf war, aber schon lange pensioniert war. Da kein

Pfarrer da war, hatte er wieder gepredigt mit 82 Jahren. Er lud mich ein, mit ihm

einkaufen zu gehen. Dann wollte ich meine andere Oma und Tante Friedel besuchen.

Sie wohnten einige Straßen weiter. Wir trafen sie schon auf dem Wege.

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