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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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Mark im Monat. Glück hatte ich, dass der Vater von Annemarie Sattlermeister war,

aus dem Sudetengau waren sie vertrieben worden. Er arbeitete für die Bauern und

bekam dafür Naturalien. So gab er uns Kartoffeln und Kohlen für unseren Ofen. Ich

brauchte dafür nichts zu bezahlen.

Da es sowieso nichts zu kaufen gab, konnte ich Mutti am Monatsende manchmal

etwas abgeben. Ich hatte sehr wenig anzuziehen. Es fehlten mir vor allem Schuhe.

Als es mal für Studenten, die wenig hatten, Schuhe geben sollte, schlug man mich

vor. Dann kamen aber ganz leichte Stoffhalbschuhe, die kaum tragbar waren.

Es war aber trotz allem eine schöne Zeit mit viel guten Kontakten zu

Mitstudenten.Wir hatten alle wenig Geld und konnten uns auch nicht viel leisten. Ich

schaffte das Examen.

Ich wurde nach Neustrelitz geschickt als 22 jährige jüngste Lehrerin, und im

Schulbezirk Carpin eingesetzt. Ich unterrichtete dort ein Jahr allein als

Berufsschullehrerin für 6 Dörfer mit insgesamt 360 Schülerinnen und Schüler im

Alter von 14 bis 18 Jahren. Der Unterricht wurde nachmittags in den Grundschulen

ab 14 Uhr durchgeführt. Ich wohnte zur Miete in einem Zimmer. An drei Schulorten

hatten die Jungen und Mädchen je einmal in der Woche 6 Stunden zusammen

Unterricht. Auch Sonnabend war Nachmittagsunterricht.

Mit einem primitiven geliehenen Fahrrad ohne Licht fuhr ich auch im Winter zum

Unterricht in den jeweiligen Ort. Im Winter gab es oft schon um 17 Uhr

Stromsperren. Da es mit 60 Schülerinnen und Schülern, die eng zusammengepfercht

waren, nicht zumutbar war, durfte ich ab 19 Uhr bei Stromausfall Schluss machen.

Die Radfahrten im Dunklen zu meiner Wohnung waren auch eine Katastrophe. Ich

kürzte den Weg ab an der Bahnlinie entlang, das war ein schmaler Streifen neben den

Schienen, aber oben auf der Böschung. War es sehr dunkel, fuhr ich lieber auf den

Bohlen zwischen den Schienen. Da verlor ich die Luftpumpe. Ich kroch auf den

Schienen zum Suchen und fand sie auch. Ersatz gab es nicht in der DDR. Da hörte

ich den Zug kommen,schnell runter von der Böschung, das war gefährlich. Einmal

landete ich in einer Kurve im Dunklen im Straßengraben in einem Stacheldrahtzaun.

Mein Mantel kaputt, das war schlimmer als die Verletzungen.Dann kam einmal im

Dunklen von hinten ein russischer LKW. Ich hatte Angst,fuhr aber schnell weiter. Der

Wagen blieb hinter mir. Der wollte mir nur leuchten und ich hatte solche Angst.

Neben meiner Schultätigkeit musste ich die FDJ-Gruppe übernehmen. Dazu

verlangte der Bürgermeister Wieland von mir, dass ich in die SED eintreten soll. Ich

weigerte mich, trat dann aus Sicherheitsgründen aber in die Bauernpartei ein. Nun

wollte man mich aus dem Schuldienst entlassen, weil ich nicht fortschrittlich genug

sei. Die Eltern meiner Schüler setzten sich jedoch geschlossen für mich ein. So wurde

ich dann nach Neustrelitz versetzt. Hier konnte mich die SED besser kontrollieren.

Ich könnte noch viele Erlebnisse schildern.

Ich war in der Berufsschule im Kreis Neustrelitz die jüngste Lehrerin. Nach dem Jahr

in Carpin bekamen wir einen neuen Schulleiter. Er holte mich nach Neustrelitz und

war erstaunt, dass ich dort allein tätig gewesen bin. Er hatte meine Schwierigkeiten

auch mitbekommen.Hier verlangte die Partei sofort von mir Aktive Mitarbeit in der

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