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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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Leser? Nein! Wer eine Decke hatte, schien reich zu sein. Was war ich froh, eine

Decke zu besitzen. Dass wir keine Matratzen oder Strohunterlagen hatten, erwarteten

wir gar nicht mehr. Auf der Fahrt war es auch nicht anders.

Ich richtete mir mein Lager auf einer oberen Pritsche ein. Ich war eine der jüngsten

im Lager. Nun blieben Putty,( Frau Damm) Ursel, Ilse, Helga und ich zusammen. Wir

lagen auch nebeneinander. Da wir zwei Decken hatten, kamen wir ganz gut damit

aus, obwohl es sehr kalt in der Baracke.

Am 4. April fuhren wir aus Schwiebus ab und am 16. April kamen wir dort an. Um

diese Zeit ist es in Deutschland Vorfrühling. Dort oben aber über dem 60.

Breitengrad, nahe dem Weißenmeer und nördlichen Eismeer bei Archangelsk, war

noch tiefer Winter. Ohne Thermometer konnten wir nicht feststellen, wie viel Grad

unter Null wir hatten. Es lag über einen Meter Schnee und überall Eis.

In den Baracken gab es Steinöfen, die wir mit Waldholz heizten. Um weniger zu

frieren, lagen wir mit all unseren Kleidungsstücken auf den Pritschen und zogen nicht

einmal die Mäntel aus. Nebenbei gesagt gab es einige Frauen, die hatten keinen

Mantel mit, weil sie an einem warmen Märztag von der Arbeit weg geholt wurden.

Man hatte ihnen keine Gelegenheit gelassen, sich mit Sachen aus der Unterkunft

einzudecken, noch sagte man ihnen, dass sie weit wegkommen würden. Ohne

Strümpfe waren auch einige. Jede von uns hat nach Möglichkeit geholfen. Als

Notbehelf wurden aus Lumpen und Lappen Strumpfersatz = Fußlappen gemacht.

Schon in der ersten Nacht machten wir Bekanntschaft mit den ständigen

Schlafgenossen, den Wanzen. Dies lästigen Ungeziefer kroch uns uns sogar in Ohren

und Nasenlöcher. Wir Deutschen haben uns etwas dagegen einfallen lassen. Als wir

länger in Russland waren, kamen wir dahinter, wie wir an kochendes Wasser kommen

konnten. Wir gossen durch die Ritzen der Pritschen und in alle Hohlräume der

Baracken heißes Wasser, um damit Wanzen zu vernichten. Das half etwas.

In den ersten Tagen war es verboten, die Baracke zu verlassen. Nur auf die Aborte

durften wir gehen. Auf diesem Wege sah man sich erst mal um. In tiefem Schnee

steckte alles und es schneite noch weiter. So mussten wir täglich die Wege frei

schaufeln.

Die Männer wurden wie überall strenger bewacht. Sie durften in den ersten Tagen

keinen Kontakt zu uns haben. Es wurden in den Baracken Ämter verteilt. Zwei

Frauen hatten immer Stuben dienst, d.h., sie fegten den Raum. Zwei weitere Frauen

hatten das Heizamt, das in dem langen Raum kaum Wärme brachte. Mehrere Frauen

mussten Holz schlagen und andere Wege frei schaufeln. Das Essen bestand im Lager

aus Maisbrei oder Fischsuppe. Dazu gab es 200g klitschiges Maisbrot, manchmal

auch anderes Brot. Auch einen Esslöffel Zucker oder 2 Würfelzucker bekamen wir

täglich. Kräutertee undefinierbar und eine warme Mahlzeit gab es am Tage.

Kartoffeln vermissten wir besonders auf dem Speisezettel.

Unsere körperliche Reinigung wurde im Lager auch nicht besser. Einmal in der

Woche wurden wir in Waschräume zum Duschen geführt. An den anderen Tagen

versuchten wir heimlich aus der Küche Wasser zu bekommen. Das konnten wir nur

morgens ganz früh, wenn der Wasserwagen kam. Wenn wir dabei erwischt worden

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