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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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klang wie Abschied. Ich merkte, dass sein Freund sehr bedrückt war. Später erfuhr

ich, dass man meinen Vater schon verhaften ließ wegen Verrat an der Partei.

Nach dem Gespräch ließ uns der Freund zu einem Bauern am Ende der Stadt bringen,

wo wir vielleicht etwas sicherer sein könnten. Am nächsten Tag brachte jemand

unsere Mutter zu uns. Da wir nicht mehr raus gekommen waren, wollte sie bei ihren

Kindern sein. Was unsere Lage noch verschlimmerte, war die Angst. Dazu hatte die

Propaganda besonders beigetragen. Manche Situationen mussten zum Chaos werden.

Am 30. Januar zogen die Russen ein. Ein Glück, das Mutti zu uns gekommen war. In

Dobberphul hatten wir zwei polnische Hausmädchen. Marie war lieb, freundlich und

warmherzig. Wir hatten sie gern, und es tat uns Leid, dass sie viel Heimweh hatte.

Vera war das Gegenstück. Sie hasste uns und zeigte das offen. Beide wurden bei uns

gut behandelt. Aber Vera war eben Feind. Heimlich gab sie Lichtzeichen und verband

sich mit russischen Soldaten. Sie führte diese dann durch unser Dorf und suchte uns.

Sie sagte allen, dass sie meine Mutter erschießen lassen wolle. Kapitalisten und Hitler

treue!

Dann rollten Truppen in mein Heimatdorf ein und plünderten und randalierten

überall. „Uri, Uri“ riefen sie, das hieß Uhren, Schmuck und Wertsachen. Dann wurde

im Dorf die Zivilbevölkerung gequält und ausgenommen. In unserem Gutshaus war

noch kurz ein Lazarett eingerichtet worden für verwundete Soldaten, dass aber

schnell von geh fähigen Verletzten verlassen wurde.Alle zurückgebliebenen

Schwerverletzen wurden von den Russen erschossen. Das weiß ich nur durch den

Bericht meiner Großmutter, denn wir waren nicht zu der Zeit im Dorf. Bericht im

Anhang.

Die Vera hat unsere Alten auch noch schikaniert und ihnen Sachen weggenommen.

Außer unseren alten Verwandten wohnte im anderen Teil des Hauses, die Familie

Dreschau. Zu ihnen gehörten Frau und Herr Dreschau und ihre beiden Kinder im

Alter von drei und fünf Jahren und das Hausmädchen Anneliese. Dort spielte sich ein

Drama ab. Vergewaltigung der Mutter in Gegenwart der Kinder. Dann nahmen die

Russen den Mann mit raus und brachten ihn mit Genickschuss um. Erst am nächsten

Morgen konnten meine Verwandten das feststellen, weil man nachts nicht hinaus

durfte. Beerdigen konnten sie den Mann erst viel später, weil die Russen niemand an

den Verstorbenen ließen.

Dann klopft es an die Tür der Alten. Das 17jährige Hausmädchen von der Familie

Dreschau trat ein. Sie bat um Hilfe, weil ein Unglück geschehen sei. Tante Friedel,

Muttis Schwester, ging mit. Da liegen Frau Dreschau und die beiden Kinder im Bett

und überall Blut. Frau D. hatte aus Verzweiflung allen die Pulsadern aufgeschnitten

und versucht, ihre Kinder zu ersticken. Auch das Mädchen blutete. Es konnten alle

gerettet werden. Es war eine Verzweiflungstat.

So zogen die Familie und einer unser Knechte zu unseren Alten in die Unterkunft.

Der Knecht war eine große Hilfe für alle mit seinen Polnischkenntnissen. Im Zimmer

am Eingang zu der Wohnung schlief eine Flüchtlingsfrau mit ihren Kindern, die

russisch konnte. Im Ort zogen russische Soldaten ab und neue wieder ein. Manchmal

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