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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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schaute manchmal verwirrt um sich. Noch erkannte sie mich und war erleichtert, dass

ich bei ihr war. Ich kümmerte mich um sie. Ich fütterte sie, gab ihr zu trinken,

kämmte und entlauste sie. Ihr Zustand wurde immer schlechter. Man sagte mir, dass

sie Syphillis hat, also geschlechtskrank ist. Sie hat furchtbar gelitten. Nachts schrie

sie nach mir:" Gisela, hilf mir doch!" wenn ich zu ihr ging, erkannte sie mich mehr

und schrie wieder:" Geh weg, Du tust mir weh!"Sie weinte laut und redete irr. Dann

wurde sie ruhiger, nahm nichts mehr an Essen und Trinken und schlief nur bis sie

starb. Wir wussten nicht das genaue Datum ihres Todes, da zuletzt niemand mehr zu

ihr durfte.

Helga kann ich nicht vergessen. Sie war ein sehr hübsches und intelligentes

18jähriges Mädchen. Mit ihrer Mutter war sie aus Danzig nach Schildberg evakuiert

worden. Daher kannten sie Putty, die auch aus Schildberg kam. Da sie schon in

Schildberg viel zusammen waren, erlebte Putty mit, was geschehen war.

Putty wusste genau, welcher Russe Helga angesteckt hatte. Als er in den Raum kam,

wo sie mit anderen Frauen waren und er eine Frau suchte, sah man ihm an, dass er

krank war.

Wir waren, wie ich schon schrieb , mit Helga, Ilse , Ursel, Putty und ich im

Arbeitslager zusammen. Essen und Trinken haben wir immer geteilt. auch die Decke.

Manchmal aßen wir aus dem gleichen Gefäß. Wie leicht hätten wir uns anstecken

können. Ihre Krankheit trug sie schon auf der Fahrt in sich. Sie klagte über

Schmerzen im Hals. Sie hatte da schon eine Geschwulst, die nicht weg ging. Dann

bekam sie rund um den Mund Geschwüre. Das sah schlimm aus , aber niemand

konnte ihr helfen.

Im August gab es neue Gerüchte, wir kämen nach Hause. Tatsächlich tat sich etwas.

Wir mussten uns wieder mal extra aufstellen. Auch im Lazarett wurden wir gezählt.

Diesmal wurden Namen aufgerufen und dann in verschiedene Gruppen eingeteilt. In

meiner Gruppe waren lauter sehr gebrechliche Leute. Eine Dolmetscherin nahm uns

mit und übersetzte, dass wir in einem anderen Raum untergebracht werden. Warum?

Er stand auf dem selben Gelände. Der Raum hatte in der Mitte einen Ofen. Noch

erstaunlicher war, dass so etwas wie Matratzen auf den Pritschen lagen. Es gab keine

Pritschen übereinander.. Die Füllung der Matratzen konnten wir nur schätzen. Es

schien Naturmaterial zu sein, vielleicht Laub oder Heu? Es war aber eine

Verbesserung für uns. Mir wurde aber klar, dass das bedeutete, dass wir nicht nach

Hause kommen. Auch andere Gruppen kamen in winterfeste Baracken. Die winzigen

Fenster waren hier mit zellophanähnlichem Material dicht gemacht worden., was es

vorher nicht gab.

Ich wollte nach Hause. Wie kann ich hier raus kommen, war mein Gedanke. Die

Schwestern versorgten uns hier besser und waren zugänglicher als vorher. Eine

konnte etwas deutsch. Wir quetschten sie aus. " Was soll das, warum kommen wir

hier rein?"Sie meinte, dass wir erst gesund werden sollten, dann kämen wir auch nach

Hause. Hier hätten wir mehr Ruhe, damit wir schneller gesunden.

Wer war alles mit mir in dieser großen Baracke, überlegte ich. Alles Frauen, die

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