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Rußlandbericht

Der Rußlandbericht von Gisela Mikuteit

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Ich war bei Hitler im JM= Jungmädel, als Gruppenführerin. Ich leitete die

Dorfgruppen mehrerer Orte rund um meinen Heimatort. Wir haben bei den Treffen

viel gesungen, gespielt und für die Frontsoldaten Strümpfe gestrickt. Einen

Elternabend mit Spielen und Vorträgen als Singspiele haben wir zu Gunsten des

Roten Kreuzes durchgeführt. An Zeltlagern und Pfingsttreffen haben wir uns

beteiligt. Wir mussten Hitlers Lebenslauf auswendig lernen und die

Nationalhymne.An den Sammlungen für das Winterhilfswerk WHK mussten wir uns

auch beteiligen. Sonst waren wir nicht politisch tätig. Die Uniform aus schwarzem

Rock, weißer Bluse, schwarzen Schlips und Lederknoten trugen wir. Als

Gruppenleiterin musste ich eine grüne Kordel tragen. Ich habe das alles schon beim

ersten Verhör vor der Internierung offen gesagt. Dadurch hatte ich später keinen

Ärger bei Verhören. Viele haben nicht alles Ehrlich gesagt.

Im Arbeitslager wurde ich einmal zum Verhör gerufen. Ich sehe den Raum noch vor

mir. Es war ein kleines gut aufgeräumtes Büro mit Schreibtisch und Stühlen. Ein sehr

hübscher junger blonder Offizier mit blauen Augen saß mir gegenüber. Er bot mir

einen Stuhl an und fragte mich einiges aus der Hitler zeit. Immer wieder wollte er

wissen:"Hitler gut?" Ich war überzeugt,dass Hitler Gutes tat. Ich wusste damals

nichts vom KZ und den Grausamkeiten. So antwortete ich:"Ja, Hitler gut!"Er

schüttelte den Kopf, aber er nahm mir meine Antwort nicht übel. Eine Zigarette und

ein Getränk bot er mir an, doch ich lehnte ab. Trotzdem wurde er allmählich

zutraulicher. Ich merkte, dass er mich als Frau wollte. Auch darauf ging ich nicht ein.

Nun sagte er es in ganz gutem Deutsch:"Er würde mich gern heiraten, dann brauchst

Du nicht arbeiten und nicht hungern,"meinte er, " Ich habe ein schönes Haus hier und

das gehört Dir. Nach Hause kommt ihr nicht mehr, denn ihr müsst arbeiten, alle

werden krank und sterben. Ich will Dir helfen, ich habe Dich gern!"Von mir kam ein

klares "Nein" Über drei Stunden dauerte das Ganze, aber nichts konnte mich

erschüttern. Ich blieb dabei, dass ich ein deutsches Mädel bin und später einen

deutschen Mann heiraten würde. Ich wurde nicht belästigt und durfte dann zurück in

die Baracke.

In Russland sind wir nicht mehr vergewaltigt worden. Es gab aber Frauen, die sich

freiwillig mit Russen eingelassen haben. Das waren im Arbeitslager einige

Küchenhilfen. Es wurden junge Frauen für diese Arbeit ausgewählt, die dann nur in

der Küche arbeiteten und in einer anderen Baracke schliefen. So holte man mich auch

zur Küchenarbeit. Wir hörten schon Gerüchte darüber, dass es da nicht alles mit

rechten Dingen zu ging. Russen leiteten die Küchenarbeit. Diese suchten wohl

sexuellen Kontakt zu den Frauen. Ich schlief nur eine Nacht dort. Ich wurde nicht

belästigt, merkte aber, dass einiges im Gange war. Putty half mir, dass ich da nicht

bleiben musste.

Wie war unsere religiöse Einstellung? Wir hatten eine Pastorentochter bei uns, Hanna

von Schwabe. Sie war 20 Jahre alt. Eine ganz kleine Bibel hatte sie trotz aller

Kontrollen durch geschmuggelt. Mit Hanna trafen wir uns heimlich nach der Arbeit

in eingeweihtem Kreise zu Bibellesungen. Hanna betete mit uns, las aus der Bibel vor

und sang mit uns ganz leise Kirchenlieder. Dabei wurde viel geweint. Als die Russen

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