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UNDERDOG#69

Schwerpunkt: Punk und Behinderung Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.

Schwerpunkt: Punk und Behinderung
Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.

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Cripple Punk

nun über Kampfrollstühle in Dungeons

& Dragons oder das Fehlen von

behinderten Kabinettsmitgliedern in

Bidens Regierung berichten.

Cripple ist das allererste

Medienunternehmen, in dem junge

Kreative mit Behinderungen die

Sichtweise auf behinderte Menschen

verändern können – und zwar so, dass

sie ehrlicher, genauer, wirkungsvoller

und jugendlicher wird. „Wir tun dies,

indem wir Geschichten erzählen und

berichten, die von uns selbst handeln,

über Themen berichten, die uns

betreffen, Inhalte erstellen, die für uns

repräsentativ sind, und eine

Gemeinschaft fördern, die lange Zeit

ignoriert wurde.“

»Alles machte

plötzlich Sinn.«

Bevor sie den Cripple Punk für sich

entdeckte, empfand Emily oft ein

komplexes Spektrum von Gefühlen, die

sie nicht einordnen konnte. Es ärgerte

sie, zu Veranstaltungen über

Muskeldystrophie geschleppt zu

werden, wo Erwachsene ihr sagten, wie

mutig sie sei. „Ich wusste nicht, warum

ich nicht einfach glücklich sein und

dankbar sein konnte“, sagt sie. Als sie

in die High School kam, hatte sie keine

Freund*innen und spürte, dass jede

Interaktion mit anderen Menschen von

Mitleid geprägt war. Sie hatte das

Gefühl, dass ihre Betreuer*innen und

nicht sie selbst die Hauptperson in

ihrem Leben waren. Als sie über

Cripple Punk las, „ergab plötzlich alles

einen Sinn“, sagt sie, „jede Emotion, die

ich in meiner Jugend empfunden hatte,

ergab einen Sinn“.

„Das war der Zeitpunkt, an dem ich

mich als behindert identifizierte“,

erklärt Emily, „und das war der

Zeitpunkt, an dem ich anfing, wirklich

stolz auf meine Behinderung zu sein,

und anfing, stolz auf meine

Gemeinschaft zu sein.“ Sie hatte nie ein

Foto von sich selbst mit ihrem Rollstuhl

gepostet, und jetzt sah sie nicht nur

Bilder von Menschen im Rollstuhl,

sondern von Menschen im Rollstuhl, die

die Freiheit hatten, sich so darzustellen,

wie sie wollten.

Plötzlich konnte sie ihre eigene Zukunft

sehen, eine Zukunft, die sie sich nur

schwer vorstellen konnte, weil sie so

selten authentische Darstellungen von

Menschen mit Behinderungen gesehen

hatte.

Cripple Punk entstand als natürlicher

Nebeneffekt der jahrzehntelangen

Behindertenarbeit und des

Behindertenaktivismus. Das Ethos des

Cripple Punk ist jedem/jeder vertraut,

der/die die Geschichte der

Behindertenrechtsbewegung verfolgt

hat oder mit der Arbeit von

„Krüppeltheoretiker*innen“ in

Berührung gekommen ist.

Auch in Deutschland bildeten sich Mitte

der 1977er Jahr eigens sogenannte

„Krüppelgruppen“ 2 .

Anstatt in Lehrbücher verbannt zu

werden, erreichte die Krüppelpunk-

2 Krüppelgruppen, gegründet von der

Krüppelbewegung (neue Generation der

Behindertenbewegung seit den 1970er Jahren),

erstmals 1977 in Bremen (von Horst Frehe und

Franz Christoph), weitere Krüppelgruppen in

Hamburg, Marburg (Krüppelinitiative Marburg,

KRIM, Anfang der 1980er Jahre) und München,

offensive Verwendung des veralteten Begriffs

„Krüppel“ als provokanter Hinweis auf die

anhaltende Stigmatisierung von Menschen mit

Behinderung als Mitleidsobjekte, reine Betroffenen-

Gruppen (ohne nichtbehinderte Funktionär*innen

oder Unterstützer*innen) nach dem Vorbild der

Frauengruppen, Entwicklung des

„Krüppelstandpunkts“, politisches Selbstverständnis

von „Behinderung“, gegen Bevormundung und

Normalitätserwartungen der Gesellschaft,

Initiierung spektakulärer und provokanter

Protestaktionen, Herausgabe der „Krüppelzeitung –

von Krüppel für Krüppel“ 1979-1985.

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