UNDERDOG#69
Schwerpunkt: Punk und Behinderung Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.
Schwerpunkt: Punk und Behinderung
Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.
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„Hey, hey, take me away“ auf, ein recht
eindeutiger Song über das Leben in
einem Internat für behinderte Kinder, mit
einem kraftvollen, direkten Klagen und
einer Wut, die von sexuellem Missbrauch,
institutioneller Gewalt und
Selbstverachtung erzählt:
»(...)I want to be normal in body and soul
And normal in thought, word and in deed
And everyone here will whistle and cheer
And be happy to see me succeed(…)«
Dies belegt seine kompromisslose
Bereitschaft, die Beeinträchtigung als
das zu benennen, was sie ist, indem er
seinen Blick auf die Schwierigkeiten und
Nachteile des Krüppeldaseins richtete.
Am deutlichsten wird dieser Blick in oben
erwähntem Song, in dem Ian seine
eigenen Erinnerungen an die
Heimunterbringung in der Kindheit
verarbeitet. Im darauf folgenden Jahr,
anlässlich des UN-Jahres der
Behinderten 1981, veröffentlichte Dury
seinen direktesten Protestsong
„Spasticus Autisticus“, dessen
Entstehungsgeschichte in der
Pressemitteilung zur Single beschrieben
wird.
„Ich dachte mir den Namen einer Band
aus, die sich Spastic and the Autistics
nannte, deren Bandmitglieder entweder
aus psychiatrischen Kliniken oder aus
wirklich grausam kranken Orten
rekrutiert wurden, und wir brachten es
in Gang.“
Daraus wurde eher ein Lied als eine
Band, eine skandierende Reklamation
des damals alltäglichen Begriffs der
Ablehnung und Beleidigung, „Spastiker“,
mit einer nachhallenden Coda, die an die
Massenidentifikation „I'm Spartacus!“
am Ende von Stanley Kubricks Filmepos
Spartacus von 1960 erinnerte: „I'm
Spasticus!“. Es überrascht vielleicht
nicht, dass die Single von einigen der
damals führenden britischen
Behindertenorganisationen kritisiert und
von der BBC (teilweise) verboten wurde.
Als seine Popularität zusammen mit
seinem Image als behinderter Künstler
wuchs, schienen sich Durys Konzerte in
Behindertenkongresse und
Solidaritätsveranstaltungen zu
verwandeln. Ein Blockhead-Bandmitglied
erinnert sich: „Er schrieb über
diejenigen, über die noch nie ein
[Pop-]Lied geschrieben worden
war(...)Viele Leute, die die Dinge erlebt
hatten, von denen Ian sang, kamen zu
unseren Konzerten und wollten
Autogramme. Man hörte die Leute sagen:
‚Er schreibt über mich‘.“ (zitiert in Dury
2003, 95).
»She don’t want a baby that looks like
that
I don’t want a baby that looks like me
Body—I’m not an animal
Body—I’m an abortion.«
Bodies; Sex Pistols‘ (1978)
Johnny Rottens hypnotischer Blick