UNDERDOG#69
Schwerpunkt: Punk und Behinderung Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.
Schwerpunkt: Punk und Behinderung
Unser Schwerpunkt-Thema skizziert zum einen die sogenannte „Cripple Punk-Bewegung“, in der Betroffene Darstellungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, die sich nicht nur auf ihrer Beeinträchtigung beziehen.
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Magenbitter – Comiczeichner und ME/CFS-Betroffener
Allerdings passiert es, dass
Ärzt*innen Menschen mit komplexen
Beschwerden, für die sich mit den
klassischen Methoden keine Ursache
finden lässt, manchmal zu schnell für
psychisch krank halten. Hast du
dennoch den Eindruck, die Diagnose
ist zutreffend oder hast du öfter
daran gezweifelt?
Ja, Ärzt*innen schieben einen
schnell in die „Psycho-Ecke“, mir wurde
von meiner damaligen Hausärztin auch
eine Depression unterstellt, in einer
Reha-Klinik eine mögliche
Persönlichkeitsstörung – das ist schon
verdammt verletzend, was man da
teilweise zu hören bekommt.
Eine Weile lang war ich mir auch noch
unsicher, ob da etwas dran sein könnte.
Aber man ist ja nicht blöd und kennt
seinen Körper, ich habe mich nicht
depressiv gefühlt, sondern krank. Als ich
dann mit anderen Betroffenen Kontakt
hatte, denen es größtenteils genauso
erging, und mit einer auf ME/CFS
spezialisierten Ärztin, war ich mir sicher,
dass ich eine organische Krankheit habe
und nichts Psychisches.
Patient*innen hingegen fühlen sich
vom Arzt /der Ärztin nicht ernst
genommen, missverstanden, als
psychisch krank abgetan. Denkst du,
dass viele Ärzt*innen auch
inkompetent sind und oft keine
Ursachenforschung betrieben, im
Sinne, dir helfen zu wollen? Welche
Erfahrungen hast du diesbezüglich
gemacht?
Das trifft voll und ganz gut, habe ich
ja in der vorherigen Antwort beschrieben.
Was solche Krankheiten wie ME/CFS,
Fibromyalgie oder Reizdarmsyndrom
angeht (alle noch nicht erforscht), haben
die Herren und Damen in Weiß große
Vorurteile. Das wurde ihnen
wahrscheinlich so beigebracht, und ein
Umdenken findet trotz entsprechender
Studien und Hinweise auf organische
Ursachen dieser Krankheitsbilder nur
langsam statt. Die „5-Minuten-Medizin“
trägt halt auch dazu bei, dass Ärzt*innen
ihre Patient*innen in kurzer Zeit abfertigen
müssen, wenn ihre Praxen rentabel laufen
sollen.
Es sind natürlich nicht alle so, ich habe
auch mit sehr korrekten Mediziner*innen
zu tun gehabt, die mich ernst genommen
haben, aber die waren eher die Ausnahme.
Markus, hast du viel zum Thema
gelesen oder recherchiert, um selbst
mehr über die Krankheit zu erfahren?
Was hat dir das gebracht?
Ja, da sich die wenigsten Ärzte damit
auskennen, werden viele von uns Patienten
selbst aktiv und informieren sich durch
Broschüren von Selbsthilfe-Organisationen
oder im Internet. Ich habe sogar auf eigene
Kosten Laboruntersuchungen machen
lassen, die die Krankenkasse nicht bezahlt,
um weitere Dinge abzuklären. Das ist total
bescheuert. Eigentlich sollten ja die
Fachleute diese Arbeit machen, und nicht
wir Betroffene, aber wenn einem niemand
hilft, wird man halt selbst aktiv.
Eine prominente ME/CFS-Patientin ist
übrigens die Politikerin Marina Weisband
(früher Piraten-Partei), gerade wegen der
Ukraine oft in den Medien. Und ältere
Fußballfans kennen vielleicht noch den
ehemaligen Bundesliga-Spieler Olaf
Bodden (u. a. 1860 München). Er musste
wegen der Krankheit seine Fußballer-
Laufbahn beenden und ist heute ein
Pflegefall.
Bereits nach geringer körperlicher
oder geistiger Anstrengung sind
Begleitsymptome (Erschöpfung,
Müdigkeit) stark ausgeprägt. Wie
koordinierst/planst du Abläufe in
deinem Alltag?
Wir ME/CFS-Patient*innen müssen
unsere Energie gut einteilen, Aktivitäten
und Gehstrecken sorgfältig planen. Ich