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Art Quarterly ist ein Magazin für alle Kunst- und Kulturliebhaber. Neben zahlreichen Informationen über die aktuelle Kunstszene und den zurzeit laufenden Ausstellungen in Österreich und Deutschland präsentieren wir Ihnen auch immer die aktuellen Top-Beauty-Trends.
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ART KINO<br />
Ein weiteres Mal sollte sich unter Beweis stellen, wie<br />
klein die Welt mitunter scheinen kann, denn als Ustinov<br />
seinen Wehrdienst während des Zweiten Weltkriegs<br />
ableistete, war ausgerechnet David Niven sein Vorgesetzter,<br />
jener große britische Schauspieler, der 1978 in<br />
Agatha Christies Tod auf dem Nil mit Ustinov vor der<br />
Kamera stehen sollte. Ustinov schaffte es in jene Abteilung<br />
versetzt zu werden, die für die Truppen<strong>be</strong>spaßung<br />
und Propaganda zuständig war, wo er dann auch seine<br />
erste Filmrolle, einen "dummen Nazi" in dem Propagandastreifen<br />
The Goose steps out (1942) erhielt.<br />
Gleich nach seiner Dienstzeit <strong>be</strong>i der British Army kehrte<br />
Ustinov zum Film zurück und <strong>be</strong>wies 1946 mit dem<br />
Streifen School for Secrets, <strong>be</strong>i dem er als Drehbuchautor,<br />
Produzent und Regisseur fungierte auf <strong>be</strong>eindruckende<br />
<strong>Art</strong> und Weise seine vielseitige Begabung. Zu diesem<br />
Punkt mag auch die Tatsache passen, dass Ustinov, obwohl<br />
er selbst ü<strong>be</strong>r keinen Studienabschluss verfügte,<br />
am Ende seines Le<strong>be</strong>ns Träger von insgesamt vierzehn<br />
Ehrendoktoraten internationaler Universitäten war.<br />
Während sich Sir Peter in den kommenden Jahren auf<br />
dem Gebiet der Schriftstellerei eingehend ausprobierte<br />
und da<strong>be</strong>i unter anderem zu der Erkenntnis: „Tragödien<br />
waren da<strong>be</strong>i eigentlich nie so meine Sache, außer sie<br />
ent<strong>be</strong>hrten in ihrer gesamten Tragik nicht einer gewissen<br />
Portion an Humor“, kam, wurden nach und nach<br />
auch die großen Filmstudios auf diesen lie<strong>be</strong>nswürdig<br />
zynischen und leicht untersetzten jungen Mann aufmerksam.<br />
Als es um seine erste große Rolle, die des<br />
Kaisers Nero in Quo Vadis ging, <strong>be</strong>gab sich folgende<br />
Anekdote. Die Studiobosse lehnten Ustinov für die<br />
Rolle mit der Begründung, er sei dafür zu jung ab. Da<br />
schrieb Ustinov zurück: „Wenn sie noch lange warten,<br />
dann werde ich für die Rolle zu alt sein, denn Kaiser<br />
Nero verstarb mit 31; noch bin ich dreißig!“ Ein paar<br />
Tage später kam per Telegramm die Antwort: „Recherchen<br />
ha<strong>be</strong>n erge<strong>be</strong>n, Sie ha<strong>be</strong>n Recht. Stop. Beratungen<br />
ha<strong>be</strong>n erge<strong>be</strong>n, Sie ha<strong>be</strong>n die Rolle!“<br />
Nach unzähligen internationalen Filmrollen brachte ihm<br />
1961 schließlich die Rolle des zwielichtigen Gladiatorenmeisters<br />
Bastianus in Stanley Kubricks Meisterwerk<br />
Spartacus den <strong>be</strong>gehrten Oscar ein. In den folgenden Jahren<br />
kam Ustinov <strong>be</strong>ruflich kaum zur Ruhe. Er drehte unter<br />
anderem die Welterfolge Topkapi mit Maximilian Schell,<br />
Lady L. mit David Niven, Die Stunde der Komödianten mit<br />
Richard Burton und Eliza<strong>be</strong>th Taylor und Hot Millions an<br />
der Seite der legendären Maggie Smith mit der er übrigens<br />
auch für Tod auf dem Nil und Das Böse unter der Sonne<br />
vor der Kamera stand. Ne<strong>be</strong>n seinen zahllosen Filmrollen<br />
stand er auch noch an jedem freien A<strong>be</strong>nd auf der Bühne,<br />
wo<strong>be</strong>i er ganz <strong>be</strong>sonders in seinen eigenen Theaterstücken<br />
brillierte. 1962 inszenierte er in der Covent Garden Opera<br />
in London übrigens seine ersten Opern. Der e<strong>be</strong>nfalls<br />
als Weltbürger und Humanist <strong>be</strong>kannte Sir George Solti,<br />
hatte Ustinov dazu eingeladen, drei Einakteropern zu insze-<br />
nieren. Es handelte sich da<strong>be</strong>i um Puccinis Gianni Schicchi,<br />
Ravels Die spanische Stunde und Schön<strong>be</strong>rgs Erwartung,<br />
alle drei Werke in ihrer Originalsprache. Bei diesem ersten<br />
Abstecher ins Opernfach litt Sir Peter <strong>be</strong>sonders unter der<br />
Kreativität seiner drei Bühnenbildner. Fabricio Clerici, hatte<br />
für Gianni Schicchi ein Bühnenbild erschaffen, dass nahezu<br />
nur aus Stufen <strong>be</strong>stand, jedoch konnte die zu diesem<br />
Zeitpunkt schwangere Operndiva Joan Carlyle sich nicht,<br />
wie gewünscht auf die Stufen Knien. Günther Schneider-<br />
Siemssen ar<strong>be</strong>itete für Erwartung mit riesigen Dias im<br />
Hintergrund, die jedoch aufgrund der extremen Hitze der<br />
Bühnen<strong>be</strong>leuchtung Sprünge <strong>be</strong>kamen und Jean Pierre-Ponelle<br />
machte sich gleich gar nicht die Mühe sein Bühnenbild<br />
für Die spanische Stunde umzusetzen, sondern schickte<br />
Ustinov lediglich einige Skizzen per Post. A<strong>be</strong>r auch davon<br />
lies sich Sir Peter nicht entmutigen, sondern führte alle drei<br />
Inszenierungen zu zumindest mäßigem Erfolg.<br />
Mit dieser Rolle kam auch <strong>be</strong>inahe ü<strong>be</strong>r Nacht der<br />
internationale Durchbruch und damit der Starruhm,<br />
den Ustinov nie wirklich lie<strong>be</strong>n lernte. Für ihn zählte<br />
nur das Schauspiel und seine Rollen. Seine erste Ehe<br />
war mittlerweile geschieden und seine zweite Ehe mit<br />
Susanne Cloutier, die er 1954 heiratete, stand nach nur<br />
wenigen Jahren e<strong>be</strong>nfalls <strong>be</strong>reits auf der Kippe. Mit<br />
einer Tochter aus der ersten Ehe und mit drei weiteren<br />
Kindern aus seiner zweiten Ehe blieb Sir Peter dennoch<br />
zeit seines Le<strong>be</strong>ns nur ein sehr mittelmäßiger Vater.<br />
Einmal stellte er seiner zweiten Ehefrau die Frage:<br />
„Was ist nur mit diesen Kindern los, ständig wollen sie<br />
mich sehen und etwas mit mir unternehmen?“<br />
Privat lebte Ustinov übrigens in einem für fremde,<br />
schier un<strong>be</strong>greiflichen kreativen Chaos. Ein Assistent<br />
und Freund erinnert sich einmal in einem Interview an<br />
folgende Bege<strong>be</strong>nheit: „Eines Morgens bat mich Sir Peter,<br />
weil er sich selbst ein wenig schwach fühlte, für ihn<br />
in ein Zimmer in der o<strong>be</strong>ren Etage zu gehen und eine<br />
<strong>be</strong>stimmte Ausga<strong>be</strong> eines Buches zu holen. Ich war bis<br />
zu diesem Zeitpunkt noch nie in diesem Raum gewesen<br />
und als ich ihn <strong>be</strong>trat, traf mich <strong>be</strong>inahe der Schlag.<br />
Kniehoch war der Raum mit Büchern, Schallplatten,<br />
Zeitungen und Zeitschriften, a<strong>be</strong>r auch mit diversen<br />
Erinnerungsstücken gefüllt. Ich schien mich im Ni<strong>be</strong>lungenhort<br />
eines Genies zu <strong>be</strong>finden. Als ich auf der<br />
Suche nach dem <strong>be</strong>wussten Buch an irgendeiner Stelle<br />
tief genug in das Chaos hineinfasste, zog ich zu meiner<br />
großen Ü<strong>be</strong>rraschung einen Oscar hervor. Ich konnte<br />
es mir nicht verkneifen und rief zu Sir Peter hinunter.<br />
Ich ha<strong>be</strong> hier in all dem Chaos einen Oscar gefunden!<br />
Sir Peter antwortete nur: 'Ach, dort ist er also – das ist<br />
gut zu wissen.'“<br />
Bilder: © Everett Collection Inc / Alamy Stock Photo,<br />
© Isopix.Ronald Grant Archive / Mary Evans, © United Archives GmbH / Alamy Stock Photo<br />
(LINKS) „TOPKAPI“,<br />
Melina Mercouri (als<br />
Eliza<strong>be</strong>th Lipp, links)<br />
und Peter Ustinov (als<br />
<strong>Art</strong>hur Simon Simpson,<br />
rechts), 1964<br />
(RECHTS) „SPARTACUS“,<br />
Peter Ustinov (als<br />
Lentulus Batiatus, links)<br />
und Joanna Barnes (als<br />
Claudia Marius, rechts),<br />
1960<br />
(UNTEN) „TOD AUF<br />
DEM NIL“,<br />
David Niven (Colonel<br />
Race, links) und Peter<br />
Ustinov (Hercule Poirot,<br />
rechts), 1978<br />
94 AQ HERBST/WINTER 2021 www.art-quarterly.com<br />
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HERBST/WINTER 2021 AQ 95