Hessischer Verwaltungsgerichtshof 6. Senat Brüder-Grimm ... - ippnw
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Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach Märkische Str. 56-58, 44141 Dortmund<br />
Seite: 191<br />
Der wirtschaftliche Schaden kann bei den Überlebenden<br />
eines solchen Unfalls wiederum zur Konsequenz haben,<br />
dass für die medizinische Behandlung der gesundheitlichen<br />
Folgen die notwendigen Geldmittel fehlen.<br />
4.4 Da ein schwerer Unfall in Biblis B jederzeit möglich ist,<br />
werden durch den fortgesetzten Betrieb überragend<br />
wichtige Grundrechte der Kläger und der Allgemeinheit<br />
verletzt, nämlich das der Würde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG<br />
und das des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit<br />
(Gesundheit) gemäß Art. 2 Abs. 2 GG.<br />
4.5 Nach dem Kalkar-Urteil liegt eine Verletzung von Art. 2<br />
Abs. 2 GG – wie auch von Art. 1 Abs. 1 GG – dann vor,<br />
wenn keine Vorsorge nach dem Stand von Wissenschaft<br />
und Technik getroffen ist. In dem Urteil wird weiterhin<br />
betont, dass eine Grundrechtsverletzung nicht erst dann<br />
vorliegt, wenn ein Schaden eingetreten ist, sondern bereits<br />
dann, wenn dieser eintreten kann [BVerfGE, 49, 89, 141]:<br />
"Bei Regelungen dieser Art kann ein Verfassungsverstoß<br />
nicht schon mit dem Hinweis abgetan<br />
werden, das Risiko eines künftigen Schadens<br />
stelle nicht schon gegenwärtig einen Schaden und<br />
mithin keine Grundrechtsverletzung dar. Auch<br />
Regelungen, die im Laufe ihrer Vollziehung zu<br />
einer nicht unerheblichen Grundrechtsgefährdung<br />
führen, können selbst schon mit dem Grundgesetz<br />
in Widerspruch geraten."<br />
4.6 Neben Art. 1 und 2 GG liegt weiterhin eine Verletzung von<br />
Art. 14 Abs. 1 GG vor, da die Kläger nach einem Unfall in<br />
Biblis B mit der Evakuierung des Gebietes, in dem sich ihre<br />
Häuser, Grundstücke und sonstige Sachgüter befinden,<br />
rechnen müssen und diese Wirtschaftsgüter dadurch praktisch<br />
wertlos werden.<br />
4.7 Da die wirtschaftlichen Schäden indirekt Auswirkungen auf<br />
die Finanzierbarkeit der medizinischen Versorgung im<br />
Falle des (vorläufigen) Überlebens nach einem Atomunfall