Hessischer Verwaltungsgerichtshof 6. Senat Brüder-Grimm ... - ippnw
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Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach Märkische Str. 56-58, 44141 Dortmund<br />
Seite: 47<br />
Der Notstromfall 2004 beweist, dass bereits ein Unwetter<br />
– Sturm oder Blitzschlag – außerhalb des Kraftwerks<br />
genügt, dass es in Biblis B zu einem gefährlichen<br />
„Auslösenden Ereignis“ kommen kann.<br />
Der Notstromfall zählt in jeder Risikostudie für Biblis B zu<br />
den Ereignissen, die vergleichsweise leicht zur Kernschmelze<br />
führen.<br />
9. An der Verfassungswidrigkeit der Betriebsgenehmigung<br />
von Biblis B ändert sich auch dadurch nichts, dass nach<br />
dem Kalkar-Urteil ein so genanntes „Restrisiko“ als<br />
„sozialadäquate Last“ zu akzeptieren ist. Denn das<br />
Bundesverfassungsgericht hat das zu akzeptierende<br />
Restrisiko sehr genau als ein solches definiert, welches rein<br />
„hypothetische“ Unfallabläufe jenseits des menschlichen<br />
Erkenntnisvermögens betrifft. Allein diese<br />
„Ungewissheiten“ müssen hingenommen werden (vgl.<br />
Ziffer IV).<br />
Der Betrieb eines Atomkraftwerks ist demnach unzulässig,<br />
wenn mögliche Unfallszenarien erkannt wurden. Da für<br />
Biblis B mit den Sicherheitsstudien Dutzende konkret vorstellbare<br />
und beschreibbare Unfallabläufe nachgewiesen<br />
wurden, ist der Betrieb umgehend einzustellen.<br />
10. Im Übrigen ist die Betriebsgenehmigung auch wegen der<br />
unzureichenden Deckungsvorsorge zu widerrufen (vgl.<br />
Ziffer VII).<br />
10.1. Nach § 17 Abs. 4 AtG ist die Betriebsgenehmigung zu<br />
widerrufen, wenn die Deckungsvorsorge nicht der Festsetzung<br />
nach § 13 Abs. 1 AtG entspricht. Die Festsetzung der<br />
Deckungsvorsorge erfolgt unter Berücksichtigung von § 13<br />
Abs. 3 AtG, der eine Begrenzung auf 2,5 Milliarden Euro<br />
vorsieht.<br />
10.2 Diese „Höchstgrenze“ der Deckungsvorsorge entspricht<br />
aber weniger als 0,1 Prozent der von der Bundesregierung<br />
nach einem schweren Atomunfall erwarteten Schäden in<br />
Höhe von bis zu 5470 Milliarden Euro (10.700 Milliarden<br />
DM nach dem einschlägigen Gutachten der Prognos AG).